Full text: Denkwürdigkeiten des Fürsten Chlodwig zu Hohenlohe-Schillingsfürst. Erster Band. (1)

300 Das bayrische Ministerium (I867 bis 1870) 
Aus dem Allerhöchsten Signate vom 28. Januar 1) d. J. glaubte 
aber der treugehorsamst Unterzeichnete entnehmen zu sollen, daß Eure 
Königliche Majestät den beabsichtigten Vertragsabschluß keineswegs voll- 
kommen billigten, und daß bei Allerhöchstdenselben Bedenken gegen denselben 
vorwalteten. Dies mußte in dem treugehorsamst Unterzeichneten vom 
Anfange an die Befürchtung erwecken, daß der Erfolg der vorgeschlagenen 
Maßregeln zweifelhaft sein werde. 
Demungeachtet hatte der treugehorsamst Unterzeichnete nicht versäumt, 
dem Befehl Eurer Königlichen Majestät gemäß die Sache dem Minister- 
rate vorzulegen; er hat, um eine sorgfältige und ersprießliche Beratung 
zu ermöglichen, jedem der Herren Staatsminister ein Exemplar des Ver- 
tragsentwurfes mitgeteilt und den Gang der bisherigen Verhandlungen 
sowie die Gründe, welche ihn zu dem Vorschlage bestimmt hatten, schrift- 
lich dargelegt. Auch in dem Ministerrate zeigte sich für den Vorschlag 
keine Sympathie, es wurden bei den Besprechungen fast von sämtlichen 
Ministern Bedenken erhoben, und nur der Kriegsminister sprach sich wenigstens 
der Hauptsache nach für eine Verständigung der süddeutschen Staaten 
untereinander aus. 
Soviel hat sich schon jetzt herausgestellt, daß im Staatsministerium 
jene vollständige Uebereinstimmung der Ansichten über die Rätlichkeit und 
Nützlichkeit des Projektes nicht besteht, welche zur Durchführung einer so 
umfassenden Reform vollkommen unentbehrlich ist. 
Abgesehen von diesen dem Plane entgegenstehenden Umständen, haben 
sich inzwischen die äußeren und inneren politischen Verhältnisse so gestaltet, 
daß der treugehorsamst Unterzeichnete auf einen Erfolg der Eurer König- 
lichen Majestät am Anfange dieses Jahres vorgeschlagenen diplomatischen 
Schritte nicht mehr rechnen kann. 
Der treugehorsamst Unterzeichnete war darüber nie im Zweifel, daß 
die direkten Wahlen zum Zollparlamente dasjenige Resultat haben würden, 
welches sie nunmehr in dem größten Teile von Bayern und in ganz 
Württemberg gehabt haben, denn es waren schon längst Anzeichen genug 
vorhanden, welche den nunmehr offen zutage getretenen Bund der klerikalen 
und demokratischen Elemente erkennen ließen. Nachdem nun aber dieses 
Bündnis zu solchen bedeutenden äußeren Resultaten bereits geführt hat, 
und nachdem in der unter dem Deckmantel konservativer Interessen be- 
triebenen Agitation auch republikanische Tendenzen auftauchen, würde ein 
süddeutscher Staatenbund ohne gleichzeitige Gewährung eines gemeinsamen, 
dem norddeutschen Parlament entgegengesetzten süddeutschen Parlaments 
auch nicht die geringste Aussicht mehr haben, in der öffentlichen Meinung 
  
1) Liegt nicht vor.
	        
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