302 Das bayrische Ministerium (1867 bis 1870)
Unter diesen Verhältnissen wäre jeder Versuch, eine Maßregel wie
die seinerzeit Eurer Königlichen Majestät proponierte durchzuführen, ohne
alle Aussicht auf Erfolg, und der treugehorsamst Unterzeichnete glaubt,
daß Bayern sich einem Mißerfolg dieser Art nicht aussetzen dürfe. Sollten
sich diese Verhältnisse ändern und für Gründung eines süddeutschen Staaten-
vereins sich wiederum günstiger gestalten, so wird der treugehorsamst
Unterzeichnete nicht versäumen, die Sache neuerdings in Angriff zu nehmen,
denn er ist nach wie vor der Ueberzeugung, daß die größte Gefahr für
Süddeutschland noch immer in den nicht erfüllten Bestimmungen des Prager
Friedens liegt. Zu diesem Zweck wird er den Gang der Ereignisse und die
politischen Konstellationen genau verfolgen, um in der Lage zu sein, im
richtigen Augenblick den Plan wieder aufgreifen zu können. Allein, wie
bereits im Eingange dieses Berichtes ehrerbietigst bemerkt wurde, nur
wenn Eure Königliche Majestät sowohl als das Gesamtstaatsministerium
einem solchen Plane unbedingt und mit vollem Vertrauen zustimmen,
läßt sich ein Erfolg hoffen.
Königliches Signat auf vorstehenden Bericht:
Ich habe von Ihrer Darstellung Einsicht genommen und sehe weiteren
Berichten entgegen. ·
München, 15. April 1868.
Ludwig.
Journal.
München, 18. April 1868.
Nachdem mir der Kronprinzt) gestern hatte sagen lassen, daß er mich
heute zu sprechen wünsche und ich bei ihm frühstücken möchte, begab ich
mich um 9 Uhr zu ihm.
Er berührte zu Anfang flüchtig meine Stellung zum Könige, worauf
ich aber nicht weiter einging. Wir kamen dann auf die große Politik
zu sprechen. Ich benutzte die Gelegenheit, ihn zu warnen, daß Preußen
ja nicht zu übergreifend gegen den Süden vorgehen möchte, wies auf die
einer Unterredung mit dem babischen Gesandten in Berlin am 1. Dezember 1867
das Projekt des Südbunds für in vielen Punkten unannehmbar, widerriet aber
dessen sofortige Abweisung und empfahl die Fortsetzung der Verhandlungen. In
derselben Zeit lehnte er den in einem Privatschreiben des Ministers Mathy aus-
gesprochenen Wunsch, er möge sich bereit erklären, Baden in den Norddeutschen Bund
aufzunehmen und nur den Zeitpunkt mit Rücksicht auf die europäische Lage noch
unbestimmt zu lassen, ab und empfahl dabei der badischen Regierung, „nicht mit
zu großer Schärfe Ziele zu bezeichnen, welche den mächtigsten süddeutschen Staat in
entgegengesetzte Bahnen treiben müßten“.
1) Der Kronprinz von Preußen traf am 17. April in München ein und stieg
in der Residenz ab. Er blieb bis zum 18. Abends.