Das bayrische Ministerium (1867 bis 1870) 303
republikanisch-ultramontanen Tendenzen in Württemberg hin, auf die
Stimmung in Bayern und vor allem auf Frankreich. Er schien das ein-
zusehen, sprach dann länger über Württemberg und die dortigen Tendenzen,
nicht über Baden und verhielt sich überhaupt sehr zurückhaltend. Als
die Rede auf die preußischen Intrigen in Oesterreich kam, schien er dies
zu mißbilligen, wie denn überhaupt aus seinen Reden eine gewisse Oppo-
sition gegen Bismarck hervorzuleuchten schien.
Ueber den Krieg mit Frankreich sagte er, daß die Allianz der süd-
deutschen Staaten mit Preußen selbstverständlich das gemeinsame Vorgehen
mit Preußen bedinge, fragte, wer der Oberbefehlshaber der bayrischen
Truppen sein werde, ging dann über auf die Kriegstüchtigkeit der preußischen
Armee und meinte, daß diese der französischen mindestens gleich sei. Auch
die Tapferkeit der bayrischen Armee hob er hervor. Im allgemeinen
sprach er sich sehr friedlich aus, sagte, daß er den Krieg verabscheue, und
daß der Krieg zwar zuweilen unvermeidlich, aber nie als Mittel zum Zweck
zu empfehlen sei.
Er scheint die Einigung Deutschlands unter preußischer Führung als
selbstverständlich vorauszusetzen, dagegen schien mir, daß er die moralischen
Mittel den gewaltsamen vorzieht.
Berlin, 26. April 1868.
Von 8 Uhr bis heute früh 7 Uhr verbrachte ich die Zeit größtenteils
schlafend, was ich um so bequemer tun konnte, als ich den ganzen Waggon
für mich allein hatte. Gegen Leipzig zu sah ich von Zeit zu Zeit aus
dem Wagen und bemerkte an den Stationen verschiedene nahrungsuchende
Zollparlamentsmitglieder in verwahrlostem Zustand. Später wurden die
Mitglieder mitteilend, man trank zusammen schlechten Kaffee und aß belegte
Butterbrote.
Um 12 ½ Uhr waren wir in Berlin. Die ganze Gesandtschaft und
Staatsrat Weber empfingen mich. Viktor war noch in Potsdam, kam aber
bald, nachdem ich Besitz von meiner Wohnung ergriffen hatte. Ein sehr
hübscher Salon und ein geräumiges Schlafzimmer im dritten Stock.
Um 3 Uhr kam Perglas, der mir verschiedene politische Mitteilungen
machte. Er sagt, man wisse nicht, was Bismarck tun werde, wenn ein
Antrag auf Erweiterung der Kompetenz des Zollparlaments gestellt werde;
Bismarck sei unberechenbar. In der Frage der Festungen zeigte er mir
eine Antwort, die ihm Bismarck geschickt hat und die entgegenkommend
ist. Ich fürchte, er hat sich etwas zu schnell eingelassen.
Varnbüler kommt noch nicht. Er liegt zu Bett, doch glaubt man,
daß er nicht wirklich krank ist, sondern nur den schlechten Empfang fürchtet.
Mit Viktor sprach ich über die Schwierigkeit meiner Lage. Dann
kam Roggenbach, der versicherte, Bluntschli habe nicht die Absicht, einen