Das bayrische Ministerium (1867 bis 1870) 305
geladen oder befohlen hatte. Endlich war die Predigt zu Ende, und es
ging der Zug des Königs die Treppe herunter. Alles war sehr glänzend.
Der König ging durch den Saal, hielt sich nur bei mir auf, um sich nach
dem Befinden Seiner Majestät unsers Königs zu erkundigen. Dann
verließ er wieder den Saal, und unterdessen stellte sich alles auf, links
neben dem Thron die Mitglieder des Bundesrats, Bismarck und Perglas
an der Spitze, rechts waren leere Stühle für die Prinzen, und wir standen
dem Thron gegenüber. Nun kam der König mit den Prinzen, nahm auf
dem Thron stehend Platz, bedeckte sich und las die Thronrede. Wir waren
alle sehr gespannt; die Rede machte auf mich einen beruhigenden Eindruck
und wird wohl auch so im allgemeinen wirken. Das Hoch beim Ein-
tritt des Königs brachte der Alterspräsident Baron Frankenberg aus. Am
Schluß der Thronrede geschah dies durch Perglas. Die Formel war vor-
her diskutiert worden zwischen Perglas, Delbrück und Bismarck, ob „König
von Preußen“ oder „König Wilhelm“. Man entschied sich für „König
Wilhelm“, weil man fand, daß dies rücksichtsvoller für die Süddeutschen
sei. Perglas machte seine Sache ganz gut. Nach der Eröffnung wurde
durch den Alterspräsidenten die Sitzung für 3 Uhr nachmittags angesetzt.
Ich hatte vorher Audienz beim König. Derselbe empfing mich wie ge-
wöhnlich sehr liebenswürdig. Er beklagte sich über die ganz unbegründeten
Befürchtungen der Süddeutschen. Es sei ungerecht, meinte der König,
ihm Eroberungsgelüste zuzuschreiben. Er klagte dann über die Insulten,
mit welchen er in Süddeutschland verfolgt würde. Ich entschuldigte uns,
daß wir nichts gegen die Presse tun könnten, da die Gesetzgebung mangel-
haft sei. Er erwiderte, daß er uns auch keinen Vorwurf mache. Wir
sprachen dann von dem Zollparlament. Ich betonte, daß es wünschens-
wert sei, wenn sich dasselbe ziemlich ruhig verhalte und keine Kompetenz-
überschreitung anstrebe. Der König sagte, er sei damit einverstanden, ver-
wies aber auf die Elemente, welche sich in Darmstadt geltend machten
und die auf den Eintritt in den Norddeutschen Bund drängten, da ihre
Stellung unhaltbar sei. Uebrigens gab er gleichzeitig zu, daß die Franzosen
dies als eine Ueberschreitung der Mainlinie ansehen würden, und daß es
dann zum Krieg kommen könne, wenn nämlich Preußen auf diese Wünsche
einginge. Da der König müde war und noch andre Leute warteten, so
dauerte die Audienz nur ganz kurze Zeit.
Um 3 Uhr war dann Sitzung des Zollparlaments. Hier fand nur
die Auslosung in die Abteilungen statt. Um 4 Uhr machte ich einige
Besuche, um 6 Uhr war Diner bei Perglas mit Viktor, Luxburg und
Berchem. Um 8 Uhr hatte ich mit Bismarck ausgemacht ihn zu besuchen.
Ich fand ihn wie gewöhnlich sehr liebenswürdig und zuvorkommend.
Ueber das Zollparlament äußerte er sich zurückhaltend. Er sprach die
Fürst Hohenlohe, Denkwürdigkeiten. 1 20