Full text: Denkwürdigkeiten des Fürsten Chlodwig zu Hohenlohe-Schillingsfürst. Erster Band. (1)

Das bayrische Ministerium (1867 bis 1870) 309 
fache Tagesordnung zu stimmen gezwungen war, riet mir dazu, dafür 
zu stimmen. Die Majorität nahm dann die einfache Tagesordnung an, ) 
und damit wurde einer mehrtägigen unliebsamen Debatte ein Ende gemacht. 
Nach der Sitzung wurde dieses Resultat vielfach besprochen, indessen 
neigt sich die größere Mehrheit aller Urteilsfähigen dahin, dasselbe als 
günstig anzusehen. Denn wenn auch damit die nationale Frage vertagt 
ist, so entspricht dies doch der gegenwärtigen Stimmung in Süddeutschland 
und wird wesentlich zur Beruhigung der Gemüter beitragen, was vor- 
läufig die Hauptsache ist, wenn nicht die Annäherung der deutschen 
Stämme aneinander bedroht werden soll. Den Franzosen gegenüber 
würde ich ein andres Resultat gewünscht haben, denn diese werden dar- 
über Freude empfinden. Allein wenn damit die Irritation in Frankreich 
beschwichtigt und der Friede gesichert wird, so ist das auch ein günstiges 
Resultat. 
Bismarck hat sich bei der ganzen Debatte und bei den vorhergehenden 
Besprechungen sehr zurückhaltend benommen. Man sagt, die Kriegs- 
befürchtungen nehmen hier zu, namentlich infolge von Nachrichten aus. 
England. Ich werde heute diplomatische Besuche machen und hoffe näheres. 
zu erfahren. 
Am 21. Mai fand in der neuen Börse ein Bankett statt, welches 
die Stadt Berlin zu Ehren der süddeutschen Abgeordneten zum Zollparlament 
gab. Graf Bismarck hielt die erste Rede, welche mit einem herzlichen 
„Auf Wiedersehen!“ an die süddeutschen Brüder schloß. Darauf erwiderte 
Fürst Hohenlohe: 
Die Begeisterung, welche die Worte des Bundeskanzlers in den Herzen 
der Süddeutschen hervorgerufen haben, mag Ihnen beweisen, daß eine 
Annäherung zwischen Süd und Nord stattgefunden hat, welche nicht ver- 
mindert, sondern vermehrt worden ist durch die Arbeit des Zollparlaments. 
Ich glaube, Sie werden mit mir übereinstimmen, wenn ich sage: die 
Arbeit deutschen Geistes hat das Band der Stämme enger geschlungen. 
Diesem Verständnis deutschen Geistes ist eine Mission zuteil geworden, 
herrlicher und höher als andre sogenannte ziovilisatorische Missionen. 
(Stürmischer Beifall.) Lassen Sie uns in diesem Geist, lassen Sie uns 
in dieser Mission zusammenhalten, und in diesem Sinne bringe ich ein 
Hoch der Vereinigung der deutschen Stämmel! 
Nach dem Fürsten redete Völk auf „die Zukunft des deutschen 
Staats“. 
  
1) Mit 186 gegen 150 Stimmen. Die Majorität bestand aus den Konser- 
vativen, der Fortschrittspartei und der süddeutschen Fraktion.
	        
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