Full text: Denkwürdigkeiten des Fürsten Chlodwig zu Hohenlohe-Schillingsfürst. Erster Band. (1)

310 Das bayrische Ministerium (1867 bis 1870) 
Journal. 
Berlin, 23. Mai 1868. 
Infolge der vielen ermüdenden Sitzungen mußte ich meine Aufzeich- 
nungen aussetzen. Von Wichtigkeit kam auch wenig vor. Die Sitzungen 
waren interessant, sind indessen stenographiert und gedruckt. Außerhalb 
der Sitzung war ein Gespräch mit Varnbüler über die Festungsfrage und 
einige Unterredungen mit Bismarck und endlich eine von Bluntschli ge- 
wünschte Besprechung wichtig. Varnbüler sieht meine Stellung hier mit 
scheelen Augen an, der Vizepräsident des Zollparlaments, meine guten 
Beziehungen zu Bismarck, der von mir weiß, daß ich ihn nicht betrüge, 
meine Stellung zum Hofe u. s. w., das alles „giftet“ ihn und hat ihn ver- 
anlaßt, seinem Unwohlsein, welches nicht zu bestreiten ist, eine größere 
Ausdehnung zu geben, als es vielleicht nötig gewesen wäre. Bei meiner 
ersten Unterhaltung mit Varnbüler wurde die Festungsfrage verhandelt.!) 
Varnbüler wollte auf eine Verständigung kommen, glaubte mit mir allein 
leicht fertig zu werden und wollte deshalb direkte Verhandlungen mit mir 
führen. Ich aber berief Völderndorff von München mit den Akten. Bei 
der Besprechung kamen wir darin überein, daß eine Verständigung vor 
der Berufung der Liquidationskommission nötig sei zwischen Bayern und 
Württemberg. Daß sie aber zustande kommen wird, das ist die Frage, 
und deshalb ging ich auf den Wunsch Varnbülers nicht ein und gab die 
Zusammenberufung der Liquidationskommission nicht auf, sondern faßte 
das Protokoll in einer Art, daß die Berufung der Liquidationskommission 
nicht von dem Zustandekommen der Verständigung zwischen Bayern und 
Württemberg (über Ulm) abhängig gemacht werde. Varnbüler wünscht 
auch, daß vor dem Ausbruch eines Krieges mit Frankreich Preußen Zu- 
sicherungen mache, 
1. daß wir nach dem Krieg an den Friedensverhandlungen teilnehmen, 
2. daß nach dem Krieg der Rechtszustand bleibe, wie er ist. 
1) Die Bundesliquidationskommission (siehe Seite 200) hatte sich am 31. Juli 
1867 vertagt, ohne, wie Bayern gewünscht hatte, die tatsächliche Auseinandersetzung 
durchzuführen. Die gegenseitigen Ansprüche waren nur rechnerisch festgestellt 
worden. Diese Rechtslage hinderte die freie Verfügung der Territorialstaaten über 
das in den süddeutschen Festungen befindliche bewegliche Material. Die bayrische 
Regierung hatte daher im April 1868 Verhandlungen angeregt mit dem Zwecke, 
„die bisher noch bestehende faktische Gemeinschaft des beweglichen Eigentums der 
ehemaligen Bundesfestungen durch definitive Teilung auseinanderzusetzen“". Den 
Mitgliedern der hierzu zu berufenden Kommission sollte nach dem Wunsche der 
bayrischen Regierung zugleich die Beratung über die Bildung einer ständigen süd- 
deutschen Militärkommission und über ein gemeinsames Festungsreglement übertragen 
werden. Ueber die Verhältnisse der Festung Ulm, die wegen ihrer geographischen 
Lage nur als ein einheitlich verwalteter Waffenplatz ihren Zweck erfüllen konnte, 
war eine Verständigung zwischen Bayern und Württemberg äußerst dringlich. 
 
	        
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