Aus der Jugend (1819 bis 1847) 25
25. Juni 1844.
Durch die Gesetze der Jahre 1807 bis 1811 wurde in Preußen ein
gewisser liberaler Geist geweckt, der in den Jahren 1813 und 1814 das
ganze Volk zu einem merkwürdigen Nationalenthusiasmus bringen konnte.
Nach dem Wiener Kongreß fanden die Regierungen in diesem durch ganz
Deutschland verbreiteten Geiste etwas Gefährliches, und wenn auch die
Gesetze von 1820 und 1821 in Preußen auf eine baldige Einrichtung einer
ständischen Verfassung hindeuteten, so wurde diese Ansicht dem Volke doch
bald durch die Einrichtung einer provinzialständischen Verfassung genommen.
Indessen beruhigte man sich bei einer regelmäßigen Verwaltung, bei dem
gerechten Sinne des Königs, der mit seinem Volke als Vater mit seinen
Kindern manches Trübe und Fröhliche erlebt hatte und dessen Gesinnung
die Garantie für das Bestehen des Guten und für Nichteinführung von
Schlechtem so gut darbot wie jede konstitutionelle monarchische Verfassung.
So trat der Tod König Friedrich Wilhelms III. ein.
Durch die Huldigungsreden wurden alle jene Hoffnungen auf eine
freie Verfassung erweckt, wenngleich das Publikum in der Wahl der
Minister Eichhorn, Stolberg, Thiele und andrer Staatsbeamten eine
Neigung des Königs zu einer mehr kirchlichen Richtung erkennen wollte.
Diese trat auch bald deutlicher hervor. Zugleich zeigte sich aber auch,
daß jene Reden keine reichsständische Verfassung verheißen wollten, sondern
das Gegenteil. Dies erregte überall Unzufriedenheit, und schon anfangs
1842 trat Mißstimmung ein. Mehr noch, als trotz der Zensurgesetze, die
eine freiere Besprechungserlaubnis zu verheißen schienen, von seiten des
Arnimschen Ministeriums immer mehr auf Restriktion hingearbeitet wurde,
während das Oberzensurgericht nach freieren Grundsätzen viele Artikel
freigab. Dazu kamen und kommen jetzt manche materielle Not= und Uebel-
stände, Arbeitsnot in Schlesien, in neuester Zeit das sonst so notwendige
Eisenbahnaktiengesetz u. s. w. Endlich im allgemeinen eine gewisse Schwankung
und Prinziplosigkeit oder, besser gesagt, Systemlosigkeit in den höchsten
Staatsbehörden, Verzögerung der Geschäfte, Geldnot und verwirrte
Finanzen, so daß jetzt die Stimmung, je nach den Provinzen, schlechter
wird. Nun schickt man in der neuesten Zeit einen frommen Mann in
die Rheinprovinz, um die Stimmung zu untersuchen. Als wenn dies die
Behörden nicht besser wüßten! Dies wird am Rhein besprochen und
kritisiert. Der Adel macht sich durch Gemeinheiten einzelner verächtlich.
Und was sonst noch alles vorgebracht werden mag, das Ehescheidungs-
gesetz und das Strafgesetz gar nicht zu erwähnen. Nehmen wir nun diese
Stimmung mit den Persönlichkeiten des jetzigen Ministeriums zusammen,
so findet sich von selbst, daß dem Uebel nicht abgeholfen werden kann,
wenn nicht von oben her eine Veränderung der Personalien geschieht.