Full text: Denkwürdigkeiten des Fürsten Chlodwig zu Hohenlohe-Schillingsfürst. Erster Band. (1)

Das bayrische Ministerium (1867 bis 1870) 347 
möglich aus allen Provisorien herauszukommen und die Neugestaltung 
Deutschlands ernstlich zu Ende zu führen. 
Diese Neugestaltung kann aber, wie die Dinge heute liegen, nicht 
durch einfachen Eintritt der süddeutschen Staaten in den Norddeutschen 
Bund bewerkstelligt werden. Wer sich dieses Ziel setzt, wird das Proviso- 
rium und damit den gegenwärtigen prekären Zustand ins Unbestimmte 
verlängern. Wird aber zugegeben, daß das Provisorium gefahrbringend 
ist, so wird anerkannt, daß wir sobald als möglich zu einer Form 
gelangen müssen, die den Süddeutschen die Erhaltung ihrer Autonomie, 
ihrer Eigentümlichkeit, ihres, ich möchte sagen, gemütlichen Staatslebens 
garantiert und gleichzeitig die Verbindung mit dem Norden ermöglicht. 
Haben die Süddeutschen diese Garantie, so werden sie sich nach und 
nach in das große deutsche Gemeinwesen einleben, wenn nicht, nicht! 
Ein süddeutscher Staatenverein, der mehr wäre als eine bloße völker- 
rechtliche Allianz, ein Verein, an dessen Spitze ein gemeinsames Bundes- 
organ (wenn auch ohne Parlament) stände, gemeinsame Regelung der 
Militärangelegenheiten und der auswärtigen Politik, gemeinsame Leitung 
der Verkehrsangelegenheiten u. s. w. — dies würde etwa die Form sein, 
welche den süddeutschen Staaten jene obenerwähnte Garantie bieten könnte, 
und hiermit wäre denn auch den Süddeutschen der feste Boden geschaffen, 
von welchem aus sie den norddeutschen Brüdern ehrlich und ohne Rück- 
halt die Hand reichen könnten. Niemand gibt gern die Hand über einen 
Graben hinüber, wenn er nicht vorher auf dem diesseitigen Ufer festen 
Fuß gefaßt hat. 
Fürst Hohenlohe hatte schon im November 1868 den Versuch ge- 
macht, die badische Regierung zur Aufgabe ihres Vorbehalts, daß die 
süddeutsche Festungskommission erst nach Beendigung der Liquidations- 
verhandlungen ins Leben treten sollte, zu bestimmen. Er wünschte die 
Festungskommission sofort in Wirksamkeit zu setzen und durch diplomatische 
Verhandlungen mit Preußen die Frage des Festungsmobiliars zu erledigen, 
so daß ein neuer Zusammentritt der Liquidationskommission überflüssig ge- 
worden wäre. Baden ging darauf nicht ein. Trotz dessen setzte die 
bayrische Regierung die Bemühung fort, vor dem Zusammentritt der 
Liquidationskommission, wenigstens eine Garantie dafür zu erhalten, daß 
nicht in dieser von den preußischen Vertretern eine gemeinsame Verwaltung 
des Festungsmaterials gefordert werden würde. 
Einen Einblick in diese Verhandlungen gewährt der nachfolgende 
Entwurf eines Schreibens an den bayrischen Gesandten in Berlin, welcher 
nach einem Vermerk auf dem Manuskript „in veränderter Form“ abge- 
gangen ist. Er stammt aus dem Ende Februar 1869.
	        
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