Full text: Denkwürdigkeiten des Fürsten Chlodwig zu Hohenlohe-Schillingsfürst. Erster Band. (1)

Das bayrische Ministerium (1867 bis 1870) 355 
insbesondere würde der Klerus in seiner Mehrheit bei den Wahlen wohl 
eine andre, ruhigere und besonnenere Haltung beobachten, als sonst, wie ich 
besorge, der Fall sein dürfte. Habe ich doch erst vor wenigen Tagen von 
einer Seite her, von welcher ich es nicht erwartete, den Wunsch äußern 
hören, daß das gegenwärtige Ministerium durch ein andres ersetzt werden 
möge. 
Kommt das Gesetz wirklich zur Diskussion im Reichsrate, so ist die 
notwendige Folge davon, 
a) daß alle Leidenschaften wieder aufgeregt werden, 
b) daß Herr Minister von Gresser sozusagen zwischen die beiden 
Mühlsteine der beiden Kammern gerät, da er durch die in der Abgeordneten- 
kammer bereits getanen Aeußerungen und gegebenen Zusagen gebunden 
erscheint und voraussichtlich einer sehr großen Majorität des Reichsrats 
ohne Möglichkeit einer Verständigung gegenüberstehen wird, 
c) daß auf die Regierung der ungünstige Schein fällt, als ob sie — 
und zwar in einer so hochwichtigen Frage — unterlegen sei, ein Schein, der 
durch freiwilliges Zurückziehen und Ankündigung einer neuen Revision 
vermieden wird. 
Alles dem Ermessen Eurer Durchlaucht anheimstellend, verharre ich 
verehrungsvoll 
Eurer Durchlaucht 
untertänigster 
Döllinger.“ 
In der Sitzung der Kammer der Reichsräte vom 19. April 1869 
begann die Plenarberatung. Fürst Hohenlohe hielt an diesem Tage folgende 
Rede: 
Ich muß mir erlauben, in der allgemeinen Diskussion das Wort zu 
ergreifen, weil ich es für Pflicht halte, in einer Frage, die in so eklatanter 
Weise die Gegensätze der Parteien wachgerufen hat, nicht stillzuschweigen, 
sondern offen meine Meinung zu bekennen. 
Es gibt Zeiten und Fragen, in welchen man nicht neutral bleiben 
kann. Unsre Zeit ist eine solche, und der Gegenstand der Diskussion liegt 
so, daß jeder, der berufen ist, im öffentlichen Leben zu wirken, die Pflicht 
hat, zu sagen, wie er dazu steht. Ueber die Notwendigkeit der Reform 
unsers Schulwesens sind die Meinungen, wie es scheint, ungeteilt, wenn 
auch über die Art und Weise der Ausführung der Reform die Ansichten 
auseinandergehen. Schon vor zwanzig Jahren hat ein beredtes Mitglied 
dieser hohen Kammer, das wir noch zu den unsrigen zählen, die durch- 
greifende Reform unsers Elementarschulwesens als eine unerläßliche Not—
	        
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