Full text: Denkwürdigkeiten des Fürsten Chlodwig zu Hohenlohe-Schillingsfürst. Erster Band. (1)

364 Das bayrische Ministerium (1867 bis 1870) 
wie er es in dem darauffolgenden Satze tut, nachdem es sich aber da- 
von nicht handelt, ist sein Einwurf ebenso unbegründet wie die der bayrischen 
Regierung untergeschobene Absicht eine willkürliche Maßnahme. 
Graf Beust behauptet weiter, über den Verlauf des Konzils könnten 
nur Vermutungen aufgestellt werden, während er doch wohl durch seinen 
Gesandten unterrichtet sein mußte, daß das offizielle Organ des Heiligen 
Stuhls und alle maßgebenden Persönlichkeiten in Rom über die Ziele des 
Konzils kein Hehl gemacht haben. Denn es ist ohne Zweifel dem öster- 
reichischen Gesandten in Rom so gut wie jedermann bekannt, daß die 
Unfehlbarkeit des Papstes zum Dogma erhoben werden soll und daß die 
Absicht besteht, die Sätze des Syllabus in konziliarische Beschlüsse zu ver- 
wandeln. Graf Beust mußte daher so gut wissen, wie man es in München 
weiß, daß die Tendenz einer in der Kirche herrschenden Partei dahin geht, 
das Verhältnis zwischen Kirche und Staat in einer Weise schroff zu gestalten, 
daß dem Staat nur die Unterwerfung oder die vollständige Trennung übrig- 
bleibt. Wenn Graf Beust dessenungeachtet nicht an diese Tatsache glauben 
will, wenn er die Hoffnung ausspricht, daß, im Falle das versammelte 
Konzil sich anschicke, in die Rechtssphäre des Staats überzugreifen, es immer 
noch Zeit sei, abwehrende oder abmahnende Schritte zu ergreifen, so über- 
sieht der österreichische Staatsmann, daß das Konzil sich eben nicht „an- 
schicken“ dürfte, überzugreifen, sondern sofort handeln und übergreifen wird, 
ohne daß den Regierungen dann etwas andres übrigbleiben wird, als zu 
protestieren. Wenn sich aber Graf Beust der Erwartung hingibt, die 
Bischöfe würden eine genaue Kenntnis der praktischen Notwendigkeiten 
unsers Zeitalters mit nach Rom bringen, und es werde dem Zrecke der 
Erhaltung des Friedens zwischen Staat und Kirche an Wortführern unter 
den Prälaten des Konzils nicht fehlen, so erfreut sich der Graf eines 
beneidenswerten Optimismus, der sich um so praktischer ausnimmt, wenn 
man ihn der eben beendigten Schwurgerichtsverhandlung in Linz 1) gegenüber- 
stellt. Wir glauben nicht zu irren, wenn wir behaupten, daß keiner der 
österreichischen Bischöfe die Verkündigung des Dogmas der Unfehlbarkeit 
zu verhindern suchen wird. In diesem Dogma liegt die Zukunft des 
Ultramontanismus, in ihm liegt der Keim der absolutistischen Organisation 
der Hierarchie, es ist die Krönung des Werks, dem die ultramontane Partei 
seit Jahren zustrebt, und kein Bischof wird es wagen, diesem Ziel entgegen- 
zutreten. Aus dem Konzil wird die Hierarchie stärker und mächtiger hervor- 
gehen und den Kampf gegen die moderne Zidvilisation mit frischen Kräften 
  
1) Bischof Rudigier von Linz wurde durch das Schwurgericht wegen seines 
Hirtenbriefs vom 12. September 1868, in welchem er das neue Staatsgrundgesetz 
behandelt hatte, wegen Versuchs der Störung der öffentlichen Ruhe zu zwölf Tagen 
Kerker verurteilt. Der Kaiser begnadigte ihn am folgenden Tage.
	        
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