Full text: Denkwürdigkeiten des Fürsten Chlodwig zu Hohenlohe-Schillingsfürst. Erster Band. (1)

Das bayrische Ministerium (1867 bis 1870) 365 
beginnen. Ob das „freiheitlich konstituierte“ Oesterreich zu seinen übrigen 
Schwierigkeiten auch noch eine Vertiefung des Risses zwischen Staatsgewalt 
und Kirchengewalt brauchen kann, mag der geistreiche Staatsmann an der 
Donau mit sich selbst ausmachen. Bedauerlich bleibt es immer, daß die 
mahnende Stimme des Fürsten Hohenlohe in Wien unbeachtet verhallt ist. 
Wir wollen dabei nicht untersuchen, ob, wie ein Schweizer Blatt behauptet, 
der Wunsch, die Schwierigkeiten der inneren Lage Bayerns zu vermehren, 
die Veranlassung ist, daß der österreichische Staatsmann sich nicht auf jene 
Antwortdepesche beschränkte, sondern die österreichischen Gesandtschaften 
beauftragte, den Bemühungen des Fürsten Hohenlohe namentlich an den 
deutschen Höfen soviel möglich entgegenzuarbeiten. Wir wollen nicht unter- 
suchen, ob trotz aller wohlklingenden Phrasen die alte traditionelle Politik 
auch heute noch in der Wiener Staatskanzlei ihr Interesse darin findet, 
mit dem Jesuitenorden Hand in Hand zu gehen, um denselben bei gelegener 
Zeit in der auswärtigen Politik, sei es gegen Rußland in Polen, sei es 
gegen Preußen in Westfalen und am Rhein, sei es wo immer, zu ver- 
werten und zu verwenden, uns genügt es vorläufig, angedeutet zu 
haben, daß die Depesche des Grafen Beust sich lediglich in Scheingründen 
bewegt und die eigentlichen Motive, welche die österreichische Regierung ab- 
halten, sich zu einer bestimmten Haltung gegenüber dem Konzil zu entschließen, 
mit Stillschweigen übergeht. Wir geben damit aufmerksamen Politikern 
Stoff zum Nachdenken. 
Döllingers „Bemerkungen“ zu den ihm mitgeteilten 
Antworten der Mächte. 
Der italienische Gesandte Herr Artom scheint die Angelegenheit mehr 
weltmännisch als staatsmännisch anzusehen. Wenn er meint, die Regierungen 
könnten sich den bedenklichen Folgen von Konziliumsbeschlüssen einfach durch 
Nichtannahme derselben entziehen, so übersieht er dabei, daß, wenn einmal 
gewisse Sätze als Glaubenslehre (oder „juris divini“, wie man kirchlicher- 
seits sich ausdrückt) durch das Konzil proklamiert sind, dann der Klerus 
sie auch als solche dem Volke verkündigt und sie demselben als nunmehr 
zum Wesen der Religion gehörig und unbedingt jeden Christen verpflichtend 
darstellt; dies kann dann keine Regierung der Welt mehr hindern, noch 
auch die Folgen, die sich daran knüpfen werden, abwehren. An solchen 
Faits accomplis läßt sich nichts mehr ändern. Seine Hinweisung auf das 
Konzil von Trient, dessen Beschlüsse ja auch einige Staaten nicht an- 
genommen hätten, geht von einer ganz unrichtigen Voraussetzung aus. 
Die dogmatischen Dekrete dieses Konzils sind in allen katholischen 
Ländern ohne irgendeine Widerrede angenommen worden, oder vielmehr sie 
bedurften gar keiner Annahme, sie galten sofort von selbst; nur die dis-
	        
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