Full text: Denkwürdigkeiten des Fürsten Chlodwig zu Hohenlohe-Schillingsfürst. Erster Band. (1)

Das bayrische Ministerium (1867 bis 1870) 373 
Preußen mitgehörten, so placiert seien, daß man sie nicht gleich weg— 
nehmen könne. 
Berlin, 10. Juni 1869. 
Gestern eine kurze Sitzung des Zollparlaments. Göler wollte über 
einen Artikel des Vertrags mit Japan eine nationalgefärbte Rede halten. 
Ich hielt ihm meine Gründe entgegen, und er verschluckte seine schöne Rede 
und schwieg. Eine seltene Selbstbeherrschung. 
Nachmittags Fahrt nach Potsdam, wohin wir zum Theater „in 
kleiner Uniform“ eingeladen waren. Wir kamen um 6 Uhr dort an, be- 
gaben uns von der Station Wildpark zu Fuß in das Neue Palais, wo 
man uns unterdessen, bis das Theater anging, ein Zimmer gab. Wir 
brachten aber den größten Teil der Zeit auf der Terrasse zu, obgleich das 
Wetter nicht sehr schhn war. Um 7 Uhr begann das Theater. Es ist 
ein hübsches kleines neukonstruiertes Theater im Neuen Palais. Die 
höchsten Herrschaften saßen vorn auf Stühlen. In der Mitte die Kron- 
prinzeß mit Prinzeß Alice von Hessen. Links der Vizekönig, rechts der 
König von Preußen, dann die übrigen Prinzen. Hinter der Kronprinzeß 
saßen die Prinzeß Charlotte und die Prinzeß von Hessen, zwei Mädchen 
von sechs oder acht Jahren, und zwischen sich hatten sie den Sohn des 
Vizekönigs. Die beiden Mädchen waren sehr vertraut mit ihrem Spiel- 
kameraden im roten Tarbusch und dem impassibeln türkischen Gesicht. Die 
kleine Prinzeß von Hessen arrangierte ihm den seidenen Büschel auf seinem 
Tarbusch, und als das Theater vorbei war und sie wegging, küßte sie ihn, 
worüber er sehr erstaunt war. Sie fragte ihn auch, wo denn seine Mama 
wäre, worüber er keine Auskunft geben konnte. So erzählte die Kron- 
prinzeß nachher. Das Theater bestand aus einem französischen Lustspiel 
„Les souliers de bal“ und einem horrend dummen Ballett unter dem wenig 
französischen Titel „La fete du jour de naissance“. Unter anderm kam 
auch ein „pas styrien“ zur Aufführung. Zwei Tänzer in kurzen schwarzen 
Schwimmhosen, rosenfarbenem Trikot und weißen Socken bis etwas über 
die Knöchel tanzten mit zwei Damen mit roten Strümpfen. Die übliche 
Bewegung der Daumen in den Hosenträgern fehlte nicht, dazu sang ein 
Chor abenteuerlicher Steirer, mit grünen Hüten und roten Westen, die 
bekannten angeblichen Gebirgsjodler „Wenn ich nun von der Alpe weka 
geh u. s. w.“, durch und durch Berliner Holdrio. Viktor und ich sowie 
Fritz, die wir nebeneinander saßen, unterhielten uns sehr darüber. 
Nach dem Theater war Souper, wo ich zwischen General Loö und 
Aristarchi Bei saß. Dann war Cercle, und um 10 Uhr wurden wir 
entlassen, um mit dem Extrazug nach Berlin zurückzufahren. Bismarck 
lud mich ein, mit ihm zu fahren, und benützte die Gelegenheit, mit mir 
von Geschäften zu sorechen.
	        
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