Full text: Denkwürdigkeiten des Fürsten Chlodwig zu Hohenlohe-Schillingsfürst. Erster Band. (1)

374 Das bayrische Ministerium (1867 bis 1870) 
12. Juni 1869. 
Gestern übergab mir Simson das Präsidium des Zollparlaments bei 
Beratung des neuen Zollgesetzes. Ich brachte die 166 Paragraphen in 
drei Stunden durch. Glücklicherweise kam keine Streitigkeit und Un- 
annehmlichkeit vor. Die Redner sprachen alle von der Sache und niemand 
machte Unfug. So ging mein erster Versuch glücklich ab, und ich bin nun 
genug eingewöhnt, um auch bei weniger ruhigen Sitzungen zu präsidieren. 
Simson war sehr unwohl, und wenn es bis Montag nicht besser ist, so 
wird er ernstlich krank. Dann bleibt mir der Vorsitz für den Rest der 
Session, doch hoffe ich nicht. Um 5 Uhr war Diner bei Scheidt, Geheimer 
Kommerzienrat, im Hotel Royal. Ein langes lärmendes Vergnügen mit 
viel Wein. 
Abends, um mir Bewegung zu machen, Kegelpartie im Unionsklub 
bis ½1 Uhr. 
Unterredung mit Bismarck am 12. Juni 1869. 
Nach einem Diner bei Bismarck lud dieser mich und Varnbüler ein, 
mit ihm in den Garten zu gehen. Bismarck brachte sofort das Gespräch 
auf das Konzil, das ihn ganz besonders zu interessieren scheint. Er erging 
sich zunächst in allgemeinen Bemerkungen und sprach seine Uebereinstimmung 
mit meiner Auffassung aus. Varnbüler dagegen verteidigte seinen Stand- 
punkt, welcher darin besteht, die in Rom beabsichtigten Extravaganzen als 
einen Nagel zum Sarg der ultramontanen Bestrebungen anzusehen. Ich 
verteidigte dagegen die Ansicht, daß eine solche Hoffnung sich als trügerisch 
erweisen und die Beschlüsse des Konzils nicht allein die katholische Kirche 
schädigen, sondern auch den Staat in Gefahr bringen würden. 
Nachdem Varnbüler aber sich bereit erklärt hatte, seinen Standpunkt 
insoweit aufzugeben, daß er sich von gemeinsamen Schritten nicht ausschließen 
werde, kam Bismarck auf den Vorschlag, es sollten die deutschen Staaten 
gemeinsame vertrauliche Schritte in Rom tun, um dort vor zu weit- 
gehenden Maßregeln abzumahnen. 1) Er denke sich, sagte Graf Bismarck, 
  
1) Bismarck hatte bereits in der Depesche an Arnim vom 26. Mai 1869, in 
welcher dessen Antrag auf Sendung von Oratores zum Konzil abgewiesen wird, 
dem Gesandten geschrieben: „Seine Majestät der König haben mich ermächtigt, 
mit der Königlich bayrischen Regierung und eventuell mit den übrigen süddeutschen 
Regierungen in vertrauliche Verhandlungen zu treten und womöglich im Namen 
des gesamten Deutschlands, auf welches es uns zunächst hier nur ankommen kann, 
gemeinsame Einwirkungen auf die Kurie zu versuchen, welche ihr die Gewißheit 
geben würden, daß sie bei etwa beabsichtigten Ausschreitungen einem entschiedenen 
Widerstand der deutschen Regierungen begegnen werde.“ Friedrich, Geschichte des 
Vatikanischen Konzils, Bd. I S. 785.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.