384 Das bayrische Ministerium (I867 bis 1870)
Aus einem Bericht an den König vom 14. Juli 1869.
.. Sämtliche Regierungen stimmen darin überein, daß dem Konzil
auf dem religiösen Gebiete die vollständigste Freiheit der Entscheidung
gewahrt bleiben, daß dagegen ebenso entschieden jedes Herübergreifen dieser
geistlichen Versammlung in das Gebiet des Staats abgewehrt werden
müsse, und daß Konziliarbeschlüsse von der Beschaffenheit, wie sie der
Unterzeichnete vorhersieht, die höchste Gefahr für den religiösen Frieden
und für die Ruhe des sozialen Lebens mit sich bringen werden.
Dagegen besteht darüber eine Differenz, ob schon jetzt Schritte, um
derartige Beschlüsse zu verhindern, geschehen sollen oder ob man zuwarten
soll, bis derartige Beschlüsse gefaßt seien. Wenn die Motive, welche für
die letztere Alternative angeführt werden, wirklich die richtigen wären,
wenn es nämlich wirklich, wie namentlich österreichischerseits hervorgehoben
wird, unglaublich wäre, daß die Mehrheit der Bischöfe sich zu solchen
extremen Entscheidungen hinreißen lassen werde, so ließe sich allerdings
gegen ein Zuwarten nicht viel einwenden. Allein die von dem treu-
gehorsamst Unterzeichneten gehegte Besorgnis ist nach allen Informationen
eine wohlbegründete, und der treugehorsamst Unterzeichnete kann sich der
Meinung nicht entschlagen, daß auch jene Staaten, welche diese Besorgnis
nicht zu hegen vorgeben, in Wirklichkeit nicht von diesen Motiven, sondern
von andern geleitet werden, insbesondere von einer gewissen Eifer-
sucht auf die Initiative Bayerns, dann wohl auch, weil es im Interesse
mancher Staaten gelegen scheint, wenn namentlich Bayern noch tiefer
in die Kämpfe mit der ultramontanen Partei verwickelt und dadurch in
seiner politischen Aktion nach außen gelähmt wird.
Der treugehorsamst Unterzeichnete glaubt daher, daß, ungeachtet dieser
gegen seine Maßregel von einzelnen Staaten versuchten politischen Di-
version, dennoch auf dem betretenen Wege vorgegangen werden sollte, jedoch
mit um so größerer Vorsicht und Delikatesse . Es erscheint jetzt als
wünschenswert, daß durch einen zuverlässigen und seiner Persönlichkeit wie
seinem sozialen Stande nach passenden Bevollmächtigten der deutschen
Staaten in Rom die nötigen Schritte geschehen, um einen näheren Auf-
schluß über die beabsichtigten Maßregeln zu erlangen und um nochmals
auf die Gefahren aufmerksam zu machen, welche für den religiösen Frieden
und die Kirche selbst aus den Beschlüssen des Konzils hervorgehen müßten,
die in die Rechtssphäre des Staats übergreifen würden.
Marginalreskript des Königs:
Die bisherigen Verhandlungen haben die Schwierigkeiten nachgewiesen,
die Regierungen zu einem gemeinsamen präventiven Vorgehen in der
Konzilfrage zu bestimmen, aber dazu gedient, die Aufmerksamkeit zu schärfen