Das bayrische Ministerium (1867 bis 1870) 387
Leberecht von Knopf“, fand aber die Lektüre etwas ermüdend, wie alle
gar zu lang ausgesponnenen Satiren. In Warschau empfing uns ein
Adjutant des Feldmarschalls, der mich in einer kaiserlichen Equipage in
das Hotel Viktoria geleitete, und zwar durch den erleuchteten Salon der
kaiserlichen Familie, wo auch der Oberpolizeimeister, ein General in großer
Uniform, mir vorgestellt wurde. Das Publikum wurde mir zulieb auf die
Seite gepufft, und ich ward wie ein gekröntes Haupt angestaunt. Nach
einem kleinen Souper ging ich um 11 Uhr zu Bett. Heute machte
ich früh einen Spaziergang in dem schönen Jardin de Saxe, und
nach dem Frühstück fuhr ich, dem Feldmarschall Berg einen Besuch zu
machen. Er empfing mich sehr freundlich, führte mich in sein Kabinett,
d. h. einen großen Salon mit Säulen, wo er mir während 1½ Stunden
über hohe Politik sprach. Er ging davon aus, daß die Ruhe in Europa-
nur erhalten und die Möglichkeit einer Entwaffnung nur dann geschaffen
werden könne, wenn Oesterreich, Rußland und das übrige Deutschland
einig wären. Diese Entente sei aber sehr schwer herzustellen. Er erklärte
mir nun die Gründe, wodurch Oesterreich und Rußland einander feind
geworden seien. Um dies zu tun, ging er zurück auf die Geschichte von
1840 bis 1854. Der erste Grund sei Krakau. Er erzählte, wie er die
Beseitigung der Republik Krakau in Berlin durchgesetzt habe.!) Damals,
als der Vertrag zwischen ihm, Canitz und Ficquelmont in Berlin unter-
zeichnet wurde, habe er vorgeschlagen, Oesterreich die Bedingung auf-
zuerlegen, das Salz von Wieliczka zu einem bestimmten Preis an Ruß-
land abzugeben und sich zu verpflichten, Krakau nicht zu befestigen. Kaiser
Nikolaus habe dies nicht genehmigt. Bald darauf habe Oesterreich Krakau
befestigt, und dies habe Kaiser Nikolaus verletzt.
Im Jahre 1849, als der ungarische Krieg schlecht ging, habe der
Kaiser von Oesterreich den Kaiser von Rußland um Hilfe gebeten. Berg
wurde damals nach Wien abgeschickt, um die Vorbereitungen zum Krieg
zu treffen. Er erzählte nun, wie er nach Brünn zum Kaiser von Oester-
reich, nach Wien zu Schwarzenberg und nach Preßburg gefahren sei.
Alles wurde schnell und freundschaftlich verabredet. Der Kaiser von Ruß-
land kam nach Warschau, dort besuchte ihn der Kaiser von Oesterreich.
Alles war abgemacht bis auf den Oberbefehl. Der Kaiser Nikolaus
wünschte, daß Paskiewitsch den Oberbefehl haben solle, weil er den Ehr-
geiz Paskiewitschs kannte. Allein Kaiser Franz Josef erklärte, daß sich
dies mit seiner Ehre nicht vereinigen lasse, da es sich um einen Krieg
gegen seine Untertanen handle. „Plutöt périr qu'agir contre mon
honneur!“ habe er gesagt, worauf ihn Kaiser Nikolaus umarmt hätte.
1) Treitschke, Deutsche Gedichte, Bd. V S. 546.