390 Das bayrische Ministerium (1867 bis 1870)
14. August.
Heute Jagd. Um 8½ Uhr fuhren wir von Biala weg. Ich mit
einem der jungen Berg, die andern folgten. Auf einem Hügel an der
Eisenbahn fand sich die Jagdgesellschaft zusammen. Der Oberst Devel
in Uniform, sein Adjutant, ein Major von der Gendarmerie, ein Ab-
lösungskommissär und verschiedene andre Tschinowniks. Wir hofften Wölfe
zu schießen, das Wetter war schön, und wir glaubten, daß es nicht fehlen
könne. Aber wir jagten den ganzen Tag ohne Resultat. Die ver-
schiedenen Sonntagsschützen, die statt Jagdtaschen alte Geldtaschen um-
hängen hatten, freuten sich eines reichhaltigen Frühstücks und wurden
Abends zu einem großen Diner eingeladen, das von 8 bis 11 Uhr dauerte.
Mir tat der Spaziergang im Wald sehr wohl. Die jungen Grafen Berg
sind sehr wohlerzogene nette Leute, mit denen ich mich befreundete. Der
eine war in Ischl, um Gemsen zu jagen, was ihm natürlich nicht gelang.
Ich proponierte ihm, nächstes Jahr zu uns zu kommen.
16. August.
Abfahrt um 8 Uhr nach Domaczew zur Jagd. Wir fuhren am Bug
her, dann durch den Fluß nach dem Dorf Domaczew. Von da nach dem
Wald führt der Weg durch eine desolate Sandwüste. Ich habe selten
etwas Traurigeres gesehen, dazu der graue Himmel mit schweren Regen-
wolken, die sich auch bald zu entladen begannen. In einem Dorf am
Wald war die „Oblawa“, die Treiber, etwa zweihundert an der Zahl, in den
malerischsten Kostümen. Die Frauen in braunen Roöcken, mit sonderbaren
roten oder weißen Mützen auf dem Kopf. Die Männer auch in Braun
und mit Sandalen von Birkenrinde. Die Jagd war wenig ergiebig. Der
eine Graf Berg schoß einen Wolf, wir sahen nichts. Der Regen wurde
immer stärker, und wir kamen ziemlich naß zu dem Wagen.
17. August.
Fahrt durch die Wälder von Kuzawka nach Januwka; hier waren
gegen vierhundert Bauern zur Oblawa versammelt. Alle mit ihren braunen
Röcken, roten Schärpen und Strohhüten, auch Juden waren aufgeboten.
Man sah verschiedene Judenbuben mit langen Stecken, um sich gegen die
Wölfe zu verteidigen. Großes Geschrei, bis die Oblawa in Bewegung
gesetzt wurde. Dann gingen wir auf die Stände. Ich bekam einen Platz
an einer schmalen Waldwiese. Lange hörte man nichts. Endlich gingen
die Treiber, dann plötzlich fielen rechts und links einige Schüsse. Ich sah
weit auf der Wiese zwei Wölfe und dachte schon, daß alles vorbei sei,
da kam plötzlich ein großer weißlichgelber Wolf in vollem Lauf über die
Wiese gegen mich. Ich schoß. Er stürzte, raffte sich wieder auf und