Full text: Denkwürdigkeiten des Fürsten Chlodwig zu Hohenlohe-Schillingsfürst. Erster Band. (1)

398 Das bayrische Ministerium (1867 bis 1870) 
König anfragen zu müssen. Ueber Lipowsky äußerte sich der König dem 
Minister Hörmann gegenüber sehr wegwerfend. Es scheint, daß Lipowsky 
sich seine Stellung durch sein unsinniges Geschwätz verdorben hat. Als 
alle Audienzen vorbei waren, aßen wir, ich, Hörmann, Perglas und Sauer 
in einem Gartenpavillon zu Mittag. Es war 6 Uhr geworden, und nach 
Tisch fuhren wir nach Starnberg, um mit der Eisenbahn hierher zurück- 
zufahren. 
Heute Abend um 10 Uhr war ich noch im Klub, wo ich nur einen 
verschlafenen Kellner fand. Dies sind die Zerstreuungen von München. 
Die Kammer der Abgeordneten hat einige Wahlen beanstandet, dadurch 
sind neun Abgeordnete außerstande, den Präsidenten mitzuwählen, ein 
Abgeordneter ist verhaftet, kann also nicht erscheinen, so daß die Kammer 
144 Mitglieder zählt. Davon gehören 72 der ultramontanen und 72 der 
liberalen Partei an. Morgen ist Präsidentenwahl; wenn sie sich nicht 
verständigen, so kommt keine Wahl zustande, und dann lösen wir die Kammer 
auf. Ich denke aber, man wird sich vereinigen und Edel wählen. Es ist 
schade, denn so hätten wir vier Wochen Ruhe gehabt, während neu gewählt 
worden wäre. 
29. September. 
Die Präsidentenwahl in der Kammer der Abgeordneten hat noch 
immer zu keinem Resultat geführt. 71 Stimmen für Edel und 71 für 
Weiß. Die Abgeordneten erwarten, daß wir die Kammer auflösen. Völdern- 
dorff rät, so lange fortwählen zu lassen, bis einer krank wird. Doch dürfte 
das nicht möglich sein. Ueberall große Aufregung. Heute Abend war 
ich in dem Trauerspiel „Drahomira“ von Weilen. Schrecklicher Unsinn und 
Phrasen. Professor Zachariä von Göttingen besuchte mich in der Loge. 
Der Kardinal Prinz Hohenlohe an den Fürsten. 
Tivoli, 3. Oktober 1869. 
... Was den Professor Friedrich betrifft, so soll er ja kommen, nur 
wäre es gut, die Sache geheimzuhalten, bis er bei mir ist. In den 
Unterhandlungen mit ihm wird es gut sein, ihm zu sagen, daß er den 
Hauptzweck seines Aufenthalts hier nicht mitteilt, sondern einen andern 
Grund, Rom zu sehen oder dergleichen. Du wirst das besser verstehen, 
als ich es sagen kann. 
Was Sigmund betrifft, so habe ich allerdings Grund zu vermuten, 
daß er sich nach und nach der ultramontanen Partei genähert hat, wenn 
auch nicht aus Ueberzeugung, doch aus Interesse, „weil er es nicht mit 
  
1) Bayrischer Gesandter in Rom.
	        
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