Full text: Denkwürdigkeiten des Fürsten Chlodwig zu Hohenlohe-Schillingsfürst. Erster Band. (1)

Das bayrische Ministerium (1867 bis 1870) 399 
den Leuten verderben will“. Dann soll er aber nicht mehr Gesandter 
bleiben unter Deinem Ministerium, wenn er ehrlich handeln will. Denn 
wenn zum Beispiel Kardinal Antonelli ihm sagt: „Le Prince de Hohen-- 
lohe veut faire le théologien“, so könnte er ihm darauf eine bündige 
Antwort geben, das tut er aber nicht, sondern erzählt das noch obendrein 
mit einer gewissen unpassenden Manier andern. Und seine Beziehungen 
zu dem Corps diplomatique sind auch verfahren. Nachdem er mich jede 
Woche zweimal besuchte und jetzt gar nicht mehr kommt, nachdem er hier 
einen immensen Nutzen hätte stiften können durch festes würdiges Auf- 
treten, statt dessen ganz passiv (und nicht einmal immer das) bleibt, so 
habe ich einigen Verdacht über seine veränderte Stellung, die er wohl 
eingenommen haben mag, hauptsächlich um sich nicht zu schaden für die 
Zukunft. Nun ist aber zu bedenken, daß es jetzt schon zu spät ist, vor 
dem Konzil einen andern herzuschicken. Indessen ein anständiger Mensch, 
der tut, was Du ihm sagst, sich auch in wichtigen Fällen mit den Ge- 
sandten gleichgesinnter Regierungen ins Einvernehmen setzt, sicher in seinen 
Ansichten, namentlich nicht ultramontan ist, Dich verteidigt, wo es nottut 
— aber wo findet man das alles vereinigt? Ich wünschte sehr, daß 
beim Konzil ein würdiger sicherer Vertreter von Bayern wäre, aber ich 
fürchte, daß es schwer sein wird, einen zu finden. Wenn Döllinger keine 
Persona minus grata hier wäre, so wäre er sehr geeignet dazu. Uebrigens 
jemand, der kein Lumen mundi wäre und dem man einen tüchtigen Adlatus 
gäbe, in der Art wie Professor Huber, wäre auch gut.!) 
Journal. 
München, 6. Oktober 1869. 
Am Sonnabend hörte ich, daß Haneberg) sich bemüht habe, die Ab- 
geordneten zu einer milderen Stimmung zu bewegen. Ich ging deshalb 
zu ihm; er sagte mir, daß er es versucht habe, daß es ihm aber nicht 
gelungen sei, wenngleich der Wunsch bestehe, sich dem Terrorismus des 
Herrn Weiß, der die ultramontane Partei beherrscht, zu entziehen. Sonntag 
war das Oktoberfest. Montag keine Sitzung. Dienstag sollte das letzte 
Skrutinium sein. Es blieben mir also noch zwei volle Tage zur Unter- 
handlung. Ich ließ sofort alle Minen springen, Völderndorff, Hegnen- 
berg, Dönniges u. a. machten sich auf die Beine. Es war ein immer- 
währendes Hin= und Herrennen. Die Sache war dadurch schwierig, daß 
meine Kollegen aus verschiedenen Gründen gegen die Verständigung und 
  
1) Der bayrische Gesandte von Sigmund wurde noch im Oktober nach dem 
Haag versetzt. Zu seinem Nachfolger wurde Graf Tauffkirchen berufen. 
2) Damals Abt von St. Bonifaz in München.
	        
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