400 Das bayrische Ministerium (1867 bis 1870)
für Auflösung intrigierten. Endlich gelang es, die ultramontane Partei
zu bestimmen, mir Montag um 11 Uhr eine Deputation zu schicken. Diese
kam und beriet mit mir. Sie hatten zum Wortführer den Advokaten
Schüttinger aus Bamberg bestellt, der dann auch erklärte, sie hätten die
Majorität und wollten die beiden Präsidenten wählen. Ich machte den
Herren begreiflich, daß dies keine Verständigung möglich mache; sie
sollten wenigstens ohne vorherige Bestimmung eines Kandidaten für das
Präsidium eine Besprechung mit Abgeordneten der Linken vornehmen.
Das wollten sie aber nicht, sondern verlangten, daß die Wahl von
Weiß zum ersten Präsidenten außer Diskussion bleiben müsse. Nun kamen
abends die Bevollmächtigten der Fortschrittspartei zu mir. Diese erklärten,
sie könnten sich nur dann auf eine Unterredung einlassen, wenn alle
Kandidaten diskutiert würden, dagegen seien sie bereit, von ihrem Kandi-
daten (Edel) abzugehen. Unter diesen Unterhandlungen kam der Dienstag
heran und mit ihm wieder die Abstimmung. 71 gegen 71. Nun trat
der Ministerrat zusammen. Trotzdem daß die Unterhandlung im Gang
war und Hörmann dies wußte, beantragte er sofortige Auflösung. Ich
erwiderte, daß dies mich kompromittieren würde und wurde äußerst un-
angenehm. Stürmische Szene im Ministerrat. Schließlich gaben die
Herren nach. Ich telegraphiere an den König um Aufschub. Der König
gewährt ihn. Da kommt gestern Abend der Abgesandte der Ultramontanen
und sagt, die Fraktion könne sich nicht darauf einlassen, Weiß noch in
Frage zu stellen. Um 9 Uhr kommt die Fortschrittspartei und sagt, daß
sie unter diesen Umständen sich auf keine Besprechung einlasse. Damit
war die Unterhandlung zu Ende, und die Auflösung wurde beschlossen und
entsprechend an den König telegraphiert. Ich fürchte, daß wir bei der
Auflösung nichts gewinnen werden. Doch konnte ich mich nicht länger
widersetzen, da, wenn weitere Unterhandlungen nicht zum Ziel geführt
hätten, mir der Vorwurf nicht erspart worden wäre, die Sache in die
Länge zu ziehen, und man das Mißlingen, welches nicht unwahrscheinlich
war, mir schlecht ausgelegt haben würde. Hätten die Minister weniger
gedrängt, so wäre es möglich gewesen, mit Ruhe zur Verständigung zu
kommen. Jedenfalls wird man mir den Versuch der Verständigung später
um so mehr danken, je schlechter das Resultat der Wahl ausfallen wird.
Ein Umschwung der öffentlichen Meinung, die jetzt für Auflösung ist,
wird eintreten. Doch ist das ein geringer Trost. Vorläufig haben wir
sechs Wochen Ruhe.
München, 26. Oktober 1869.
Die Ankunft des Königs von Württemberg, die Sonnabend den 23.
Abends 10 Uhr stattfand, hatte nicht die gewöhnlichen Unruhen und
Schreibereien veranlaßt, da der König diesmal von besonderer Liebens-