Das bayrische Ministerium (1867 bis 1870) 401
würdigkeit beseelt und seinem königlichen Nachbarn alle möglichen Liebens-
würdigkeiten zu erweisen bereit war. Leider kam aber der König von
Württemberg im strengsten Inkognito hierher, so daß das Anerbieten der
Wohnung in der Residenz und andre Höflichkeiten nicht angenommen
wurden. Doch fuhr unser König nach Augsburg entgegen und mit den
Herrschaften hierher, wo Souper auf dem Bahnhofe war. Sonntag 1 Uhr
hatte ich Audienz bei dem König von Württemberg. Ich hatte dem König
sagen lassen, ob er nicht am Montag, wo kein Hofdiner war, bei mir
essen wolle. Er lehnte es aber ab. Als ich nun Montag mein Diner
den Ministern und Staatsräten gab, ließ er Schlör während des Essens
abholen, eine Rücksichtslosigkeit, die ich ihm sehr übelnehme, da er die
Stunde meines Diners wußte.
Viel liebenswürdiger war der Großherzog von Weimar, der heute
Morgen ankam. Ich hatte dem Adjutanten einen Besuch per Karte ge-
macht, worauf er sich bei mir um 7 Uhr anmeldete. Wir sprachen sehr
lange über die gegenwärtigen Zustände, über den König, über die Wahlen,
über das Konzil u. s. w. Da er nun besonders in letzterer Beziehung
Fragen stellte, die ich ziemlich ausführlich beantworten mußte, so wurde
meine Auseinandersetzung mitunter etwas lang, so daß ich bemerken
konnte, wie ihn der Schlaf übermannte. Denn seine Augen verloren
ihren wenigen Glanz, was mich dann sofort zur Abkürzung meiner
Vorlesung veranlaßte. Dann lebte er wieder auf und war überhaupt
„recht nett“ und liebenswürdig.
Morgen ist Ministerrat, wo das Rundschreiben Hörmanns besprochen
werden soll. Ich bin darauf sehr neugierig.
München, 22. November 1869.
Die Wahleni) scheinen zuungunsten des Ministeriums ausfallen zu
wollen. Gestern sagte mir Feilitzsch, daß in diesem Falle Hörmann seine
Entlassung geben wolle. Lutz hat Völderndorff heute gesagt, daß das
ganze Ministerium die Entlassung geben müsse, da doch nichts mehr zu
machen sei. Lutz konspiriert aber ohne Zweifel mit Schlör, um mich und
einige andre Minister hinauszudrücken und vielleicht selbst Minister des
Aeußern oder wenigstens Vorsitzender des Ministerrats zu werden. Unter
diesen Umständen scheint die Partie verloren oder wenigstens sehr verwickelt.
Um 11 Uhr ging ich zu Döllinger, um ihm die Instruktion Tauff-
kirchens zur Einsicht zu geben. Wir besprachen die Situation, und da
erzählte er mir, er habe eben ein Handbillett des Königs erhalten, welches
ihn wegen seiner Broschüre gegen die Infallibilität belobt, und zugleich einen
1) Die Wahlen fanden am 16. und 25. November statt.
Fürft Hohenlohe, Denkwürdigkeiten. I 26