406 Das bayrische Ministerium (1867 bis 1870)
ohne daß das Ministerium etwas davon erfahren, und daß die Liquidations-
verhandlungen beendet worden seien ohne Zutun der übrigen Minister.
Er schien offenbar seine Absicht dahin zu richten, mir die Schuld der
gegenwärtigen Lage in die Schuhe schieben zu wollen, um die andern
Minister gegen mich aufzubringen. Ich widerlegte sofort die einzelnen
Vorwürfe, bemerkte, daß, wenn Pfordten im Jahre 1866 die Depeschen
vorgelegt habe, dies sehr natürlich gewesen sei, führte den Herren vor,
daß ich öfters versucht hätte, die äußere Politik zum Gegenstand der
Beratung im Ministerrat zu bringen, stets aber sehr wenig Auf-
merksamkeit gefunden habe, vindizierte mir das Recht der Ernennungen
im diplomatischen Korps, sogut wie Schlör sich das Recht, Eisen-
bahnbeamte anzustellen, nicht streitig machen lassen werde, wies nach,
daß die Liquidationsverhandlung erst nach einem Ministerratsbeschluß
angefangen worden sei, und rechtfertigte mich vollständig. Darauf kam
Pranckh, der in seiner gewöhnlichen derben Weise erklärte, wenn man sich
die Achtung der Welt erhalten wolle, müsse man jetzt seine Entlassung
einreichen, und was der König dann tun wolle, sei seine und nicht unfre
Sache.
Hörmann sprach dann noch eingehend und sehr treffend in dem oben-
erwähnten Sinne.
Lutz erklärte sich dahin, er halte es für bedenklich, wenn das System
des Parlamentarismus und der Majoritätsregierung eingeführt werden
wolle, deshalb würde er einen partiellen Ministerwechsel vorgezogen haben,
nach der Aeußerung Pranckhs könne er aber nur auch der Gesamt-
entlassung zustimmen und werde nicht allein bleiben. Jedenfalls erkläre
er sich gegen ein Koalitionsministerium, in welches etwa Weiß oder ein
andrer Patriot eintrete. In einem solchen werde er nicht bleiben.
Schlör kam dann wieder auf den Fall der Entlassung Bomhards
zurück, der ihm als ein Muster vorschwebte, und schloß mit dem Vorschlag,
ich möchte nach Hohenschwangau gehen und dem König die Lage der Dinge
mündlich auseinandersetzen.
Dagegen erklärte ich mich jedoch sofort auf das entschiedenste, da
ich nicht Lust hätte, die Sache zu verwickeln, sondern sie klar haben
wollte. Der König könnte mir die Entlassung verweigern, und dann werde
man mir den Vorwurf machen, daß ich den König dazu bestimmt habe.
Schließlich resümierte ich als Vorsitzender, indem ich bemerkte, daß
ein Majoritätsbeschluß in dieser Sache nicht gefaßt werden könne. Jeden-
falls sei ich aber entschlossen, bis morgen Mittag 12 Uhr meine Ent-
lassung zu geben. Die Herren moöchten sich bis dahin die Sache überlegen.
Man kam dann überein, daß Lutz einen Entwurf einer Eingabe an den
König machen solle, den er morgen mitbringen wird.