Full text: Denkwürdigkeiten des Fürsten Chlodwig zu Hohenlohe-Schillingsfürst. Erster Band. (1)

Das bayrische Ministerium (1867 bis 1870) 407 
28. November 1869. 
Am 27. brachte Lutz seinen Entwurf in den Ministerrat. Die Dar- 
stellung gefiel mir nicht, da sie manches Ueberflüssige enthielt. Doch wurde 
sie modifiziert, wenn auch unvollständig. Nachmittags wurde unterzeichnet. 
Abends kam Holnstein zu mir, der mir erzählte, man behaupte, ich würde 
nicht abgehen, da ich die Besoldung nicht entbehren könne. Ich beruhigte 
ihn durch die Versicherung, daß das Entlassungsgesuch bereits abgegangen 
sei. Es wird mir immer klarer, daß ich nicht bleiben kann. Ich würde 
nur dann bleiben können, wenn die ultramontane Partei bestimmt erklärte, 
daß sie meine Politik billigt, was sie nicht tun wird. Der Neid und die 
Mißgunst meiner Kollegen im Reichsrat würden Waffen in die Hand 
bekommen, gegen die ich wehrlos wäre, wenn sie mir vorwerfen könnten, 
ich bliebe aus Eigennutz gegen den Willen und ohne das Vertrauen des 
Landes. Ich würde diesen Angriffen in kürzester Zeit unterliegen, und 
dann nicht mehr wie jetzt mit Ehren, sondern mit Spott und Schande 
weggeschickt werden. Gehe ich jetzt, so werde ich regrettiert und bleibe 
immer wieder möglich. Auch kann ich mit Schlör nicht bleiben. 
Entlassungsgesuch des Fürsten. 
München, 29. November 1869. 
Als mir Eure Königliche Majestät vor nun drei Jahren die Gnade 
erwiesen, mich zur Leitung des Staatsministeriums des königlichen Hauses 
und der auswärtigen Angelegenheiten und zum Vorsitze im Ministerrate 
zu berufen, begann ich meine amtliche Tätigkeit mit einer öffentlichen Er- 
klärung, in welcher ich die Zielpunkte der bayrischen Politik in folgende 
Sätze zusammenfaßte: 
Anbahnung eines Verfassungsbündnisses mit den übrigen Staaten 
Deutschlands, sobald und soweit dies unter Wahrung der bayrischen 
Souveränitätsrechte und der Unabhängigkeit des Landes möglich ist; bis 
zur Erreichung dieses Zieles die Schaffung einer achtunggebietenden Macht, 
nicht durch die Organisation des Heeres allein, sondern auch durch den 
Ausbau unfrer inneren Staatseinrichtungen auf freisinniger Grundlage. 
Die Zustimmung Eurer Mgajestät hat es dem unter meinem Vorsitze 
vereinigten Ministerium möglich gemacht, diese Grundsätze während der 
Zeit meiner Amtsführung im wesentlichen zur Ausführung zu bringen. 
Wenn auch die politische Gesamtlage Europas nicht gestattete, ein Ver- 
fassungsbündnis zu schließen, in welchem nach meiner Ueberzeugung die 
Existenz Bayerns mehr als bisher gesichert erschiene, so ist es doch ge- 
lungen, die guten Beziehungen Bayerns zu den verbündeten deutschen 
Staaten in einer Weise zu pPflegen, welche jene Stütze gewährt, ohne
	        
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