410 Das bayrische Ministerium (1867 bis 1870)
Rechte der bayrischen Selbständigkeit und der unantastbaren Souveränität
der Krone Eurer Königlichen Majestät. Allerhöchstderselben ist jeder
Schritt bekannt und Eure Königliche Majestät haben jeden Schritt ge-
billigt, welchen ich in der Leitung der äußeren Politik getan habe. Auch
glaube ich nicht, daß die Mehrzahl der sogenannten patriotischen Partei
etwas andres will, als was seit den letzten Jahren geschehen, daß sie
ebensowenig wie Eurer Königlichen Majestät Ministerium die Zerreißung
der Allianzverträge, des Zollvereins, der nationalen Rechtsgemeinsamkeit
begehrt, welche den Süden und den Norden verbinden. Es bedarf daher
wohl nur einer loyalen und offenen Darlegung der Tatsachen und einer
klaren Bezeichnung der Endziele, um das bestehende Mißtrauen zu be-
seitigen.
Sollte aber dies nicht der Fall sein, sollte sich das Mißtrauen an
meine Person heften oder sollte die Mehrzahl der patriotischen Partei
wirklich andre Tendenzen verfolgen und eine antinationale Politik an-
streben, dann allerdings würde es mir mit dem besten Willen, dem Be-
fehle Eurer Königlichen Majestät nachzukommen, doch unmöglich sein,
länger die Geschäfte fortzuführen. Denn ein Aufgeben des Programms,
mit welchem ich das Ministerium des Aeußern übernommen habe, den
Verzicht auf das Bestreben, die trostlose, durch das Jahr 1866 geschaffene
Lage Deutschlands zu beseitigen und auf Grund des Prager Friedens den
Süden und Norden Deutschlands wieder verfassungsmäßig zu einer höheren
Einheit zu verbinden, könnte ich niemals eingehen. Doch bezweifle ich,
wie gesagt, daß die patriotische Partei eine solche Politik verlangt. Was
dagegen die innere Politik betrifft, so ist kein Zweifel, daß hier eine
Wendung insofern eintreten muß, als die Regierung volle Unparteilichkeit
wiederzugewinnen und mit Gewissenhaftigkeit festzuhalten hat. Diese
Unparteilichkeit dürfte sich aber nicht durch Schwäche gegenüber den Exzessen
aller Parteien, sondern in dem Bestreben dokumentieren, ohne Rücksicht
auf die Parteien dem Gesetze Achtung zu verschaffen. Hierzu gehört vor
allem die Wiederbelebung des Glaubens an die Unparteilichkeit der Beamten,
wodurch allein ihrem Vorgehen wieder Achtung und Nachdruck verschafft
werden kann. Es muß vermieden werden, daß die Entscheidungen der
Staatsbehörden als von der Parteigesinnung diktiert erscheinen. Die
Regierung und ihre Organe müssen objektiv handeln und damit zeigen,
daß sie über den Parteien stehen. Wird nun einerseits in dieser Richtung
vorgegangen werden müssen, so wird man anderseits auch die dringendsten
Wünsche der sämtlichen Parteien, soweit sie berechtigt sind, nicht länger
unbefriedigt lassen dürfen.
Zu diesen rechne ich in erster Reihe die Gewährung des allgemeinen
direkten Wahlrechts. Ich würde daher die Allerhöchste Genehmigung