Full text: Denkwürdigkeiten des Fürsten Chlodwig zu Hohenlohe-Schillingsfürst. Erster Band. (1)

412 Das bayrische Ministerium (1867 bis 1870) 
Anlaß gibt, und seine Ernennung an Hörmanns Stelle würde deshalb 
einem Systemwechsel gleichgeachtet werden, die Hoffnungen der Gegner 
des Ministeriums verstärken, obwohl nicht befriedigen und gleichzeitig das 
Vertrauen des liberalen Teils der Bevölkerung zu dem Ministerium auf 
das tiefste erschürtern. Diese Ernennung trüge das Gepräge der Nach- 
giebigkeit gegenüber der ultramontanen Partei in einem Grade, der den 
Charakter der Versöhnung und des Ausgleichs weit überschreiten würde. 
Ohne also mich mit mir selbst in Widerspruch zu setzen, könnte ich nicht 
mit Freiherrn von Lerchenfeld gemeinsam in einem Ministerium wirken. 
Ehe Eure Königliche Majestät über diese Punkte einen Allerhöchsten 
Entschluß fassen und ehe ich überhaupt raten könnte, eine Modifikation 
des Ministeriums vorzunehmen und damit die bestehende Krisis zu be- 
endigen, würde ich es für geradezu unumgänglich nötig halten, daß Eure 
Königliche Majestät vorher dem Ministerium einen reellen Boden schaffen 
und ihm die Existenz möglich machen, indem Allerhöchstdieselben, dem kon- 
stitutionellen Gebrauche folgend, die Häupter der Gegenpartei, welche die 
Majorität der Kammer der Abgeordneten hat, hören und deren Ansichten 
und Vorschläge entgegennehmen. Eure Königliche Majestät vergeben da- 
durch nichts dem der Krone zustehenden Rechte der alleinigen und letzten 
Entscheidung über die Wahl der Minister und können, wenn Allerhöchst- 
dieselben diese Vorschläge gehört haben, unbeirrt nach Allerhöchstihrem 
eignen Ermessen handeln. Allein Eure Königliche Majestät sind König 
des ganzen Landes und aller Parteien, und ich bin fest überzeugt, es 
liegt in Eurer Königlichen Majestät wohlverstandenem Interesse, wenn 
Allerhöchstdieselbon auch die andre Seite hören. Man wird darin einen 
Beweis der landesväterlichen Unparteilichkeit finden, und ich glaube, die 
vielen ehrlichen Anhänger Eurer Königlichen Majestät, welche sich ohne 
Zweifel in den Reihen der sogenannten Patrioten finden, sind dieser 
Allerhöchsten Gnade nicht unwürdig. Wenn ich demnach Eurer Königlichen 
Majestät meine alleruntertänigste Anschauung unterbreiten darf, so glaube 
ich, daß Allerhöchstdieselben vor allem einen und den andern Führer der 
patriotischen Partei, zum Beispiel Ministerialrat Weiß, Staatsrat von 
Schrenck oder Freiherrn von Thüngen entweder nach Hohenschwangau 
bescheiden oder durch Allerhöchstihren Kabinettssekretär nicht nur über die 
Lage im allgemeinen, sondern speziell über die Bildung eines Ministeriums 
aus jener Partei und dessen Programm befragen sollten. Entsprechen 
diese Vorschläge den Ansichten Eurer Königlichen Majestät nicht, so haben 
Eure Königliche Majestät dann erst den vollen Anlaß, meine obige ehr- 
furchtsvolle Darlegung in Betracht zu ziehen, und ich wiederhole, falls die- 
selbe Eurer Königlichen Majestät genehm ist, wie ich es bereits telegraphisch 
anzuzeigen mir erlaubt habe, meine volle Bereitwilligkeit, den Befehlen
	        
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