Full text: Denkwürdigkeiten des Fürsten Chlodwig zu Hohenlohe-Schillingsfürst. Erster Band. (1)

Das bayrische Ministerium (1867 bis 1870) 419 
Ich bitte, meine hohen Herren, sich ins Gedächtnis zurückzurufen, was 
ich damals gesagt habe. Ich wies darauf hin, daß ich meine Wahl zum 
Vizepräsidenten dem Vertrauen der Mitglieder des Zollparlaments ver- 
danke, und ich konstatierte, daß dieses Vertrauen sich auf meine außerhalb 
des Parlaments liegende Tätigkeit beziehe. 
Ich präzisierte diese Tätigkeit aber mit den Worten: Es sei das 
Bestreben, die Eintracht, die Versöhnung und Verständigung der deutschen 
Stämme zu befördern. Ich begreife nicht, wie ein solches Bestreben 
mir von den Organen der sogenannten patriotischen Partei als Vergehen 
angerechnet werden kann. 
Ich will aber die kleinen Tatsachen nun beiseite lassen und zu dem 
eigentlichen Kern der Sache übergehen. 
Der Herr Präsident Freiherr von Thüngen hat es offen gesagt, der 
Tadel sei vorzugsweise mir bestimmt, das Mißtrauen richte sich gegen 
meine ganze politische Anschauung und Haltung seit zwanzig Jahren. 
Wenn Sie nun, meine hohen Herren — ich meine damit die Herren 
Ausschußmitglieder —, bisher keinen Tadel gegen das Ministerium aus- 
gesprochen haben, so darf ich annehmen, daß Sie es deshalb nicht getan 
haben, weil Sie auf Erfolg nicht rechnen konnten. 
Gegen solche Anklagen brauche ich mich übrigens nicht weiter zu ver- 
teidigen, allein ich bin es mir selbst schuldig, einen Rückblick auf meine 
ganze politische Tätigkeit während der letzten drei Jahre zu werfen, und 
ich bin hierzu um so mehr veranlaßt durch die schönen und tiefgedachten 
Worte Seiner Königlichen Hoheit des Herzogs Karl Theodor in Bayern.:) 
Meine hohen Herren! Ich will nicht zurückgehen auf die Ereignisse 
vor dem Jahre 1866. 
Ich will nicht untersuchen, ob das Schicksal, welches Bayern im 
Jahre 1866 getroffen hat, nicht durch rechtzeitiges Eingehen auf die 
Vorschläge bezüglich der Reform der deutschen Bundesverfassung zu ver- 
meiden gewesen wäre. Jene Vorschläge sind von der damaligen Staats- 
regierung nicht mit der Bereitwilligkeit aufgenommen worden, welche not- 
wendig gewesen wäre, um zu einem befriedigenden Resultate zu führen. 
Darin hat der zweite Präsident vollkommen recht, daß er mich auf meine 
frühere Tätigkeit in diesem hohen Hause verweist. Ich habe es damals 
  
1) Herzog Karl Theodor hatte „die Notwendigkeit der Wiederherstellung eines 
ganz Deutschland umfassenden nationalen Bandes“ betont und der bisherigen 
Führung der auswärtigen Angelegenheiten bezeugt, daß sie das doppelte Ziel, Er- 
haltung der Selbständigkeit Bayerns und Herstellung einer ganz Deutschland um- 
fassenden Bundesverfassung stets angestrebt habe. Er hatte es aus diesem Grunde 
abgelehnt, sich dem in dem Adreßentwurfe enthaltenen Mißtrauensvotum anzu- 
schließen.
	        
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