Full text: Denkwürdigkeiten des Fürsten Chlodwig zu Hohenlohe-Schillingsfürst. Erster Band. (1)

  
Zweites Buch 
Die Revolution und die Reichsgesandtschaft 
1848 bis 1850 
  
  
  
In November und Dezember 1847 war der Fürst mit einem Aufsatze 
„über den politischen Zustand Deutschlands, seine Gefahren und die 
Mittel zur Abwehr“ beschäftigt, von dem der Entwurf und einzelne Aus- 
führungen vorliegen. Die durch alle Kreise Deutschlands verbreitete Un- 
zufriedenheit sollte durch eine Betrachtung der Zustände in Oesterreich, 
Preußen und den kleineren Staaten erklärt werden. Ausgeführt ist die 
folgende Betrachtung über Preußen: 
Die Geschichte seit dem Emporkommen des Hauses Hohenzollern als 
Kurfürsten und Könige hat diesem Hause stets die Stellung angewiesen, 
den Protestantismus in Deutschland zu vertreten. Wenn und solange 
Preußen den Protestantismus in der weitesten Bedeutung, nämlich die 
freie Entwicklung des menschlichen Geistes innerhalb der gesetzlichen Sphäre 
beschützte und als das Motto seiner Handlungen die Wahrheit festhielt, 
daß eine Regierung dem Geist der Zeit voranschreiten und zuvorkommen 
müsse, so lange war Preußen an der Spitze des deutschen Volks, geachtet 
und gefürchtet von seinen Feinden. Wenn und sobald aber die preußische 
Regierung ihre Stellung verkannte, so versank sie in das Labyrinth der 
Inkonsequenz, die jeden Staat an den Rand des Verderbens bringt. In 
einem solchen Abgrund lag Preußen 1806. Da vermochte es nur das 
wahrhaft staatsmännische Talent eines Stein und seiner gleichgesinnten, 
begeisterten Freunde, den Staat aus dem Schmutze einer Miserabilität 
ohnegleichen zu retten. Die Gesetze, die damals gegeben wurden, haben 
dem Volke die Freude am Vaterlande und dadurch die Liebe zu diesem 
wiedergegeben und mit dieser Vaterlandsliebe die Kraft, sich von der 
Fremdherrschaft zu befreien. Allein dieser Erfolg war nur der Anfang 
zu weiterer Entwicklung des Volks. Die reaktionären Bestrebungen der 
Regierung von 1817 bis 1840 konnten es nicht verhindern, daß jene 
Gesetzgebung ihre segensreichen Früchte trug. Die Städteordnung von 
1808, die agrarischen Gesetze, das ganze trotz aller Unterdrückung des 
ständischen Lebens fortdauernde mehr demokratische System der Regierung, 
die Freiheit der Religionsübung, die unter dem philosophischen Ministerium 
Altenstein geförderte freie geistige Entwicklung, endlich aber jener unver- 
löschliche Eindruck, den eine Zeit der Begeisterung ohnegleichen fort und 
fort auf die alte und auch auf die neu heranwachsende Generation aus-
	        
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