44 Die Revolution und die Reichsgesandtschaft (1848 bis 1850)
Am 13. April fand die Plenarsitzung der Kammer der Reichsräte
statt. Im Beginne seines Vortrags sagte der Fürst: „In bezug auf das
Gesetz im allgemeinen darf ich wohl sagen, daß wir es mit Freude be-
grüßen. Es ist der erste bedeutende, ich möchte sagen, fühlbare Schritt,
der das deutsche Volk der Erreichung seines sehnlichsten Wunsches ent-
gegenführt. Tief im Herzen aller Deutschen lebt der begeisternde Glaube
an ein einiges, freies, kräftiges deutsches Vaterland. Dieser Glaube ist
zur Tat, der Wunsch des Volks ist zum dringenden Verlangen geworden.
Es wird ihm ein gesetzmäßiger Weg durch diesen Gesetzentwurf vorbereitet,
geebnet. Die Versammlung der Volksvertreter wird uns von der Anarchie
retten, die noch immer drohend über dem Vaterlande schwebt. Die Volks-
vertretung am Bunde wird das Bett sein, in dem die Wogen der allge-
meinen politischen Erregung als Strom dahinfließen werden. Sie wird
es sein im Gegensatze zu jenem alten Bundestage, der allerdings auch ein
Bett war, in dem aber das deutsche Volk dreißig Jahre geschlafen hat —
einen Schlaf, aus dem nur der Sturm der neuen Zeit mit Gewalt uns
erwecken konnte.“
An die Prinzessin Amalie.
München, 24. Mai 1848.
Ich habe Dir am 3. Mai geschrieben, aber nur angefangen, heute
will ich es von neuem tun, weil mir immer beide Tage besonders weh-
mütig ums Herz ist und Du vor allen mit mir übereinstimmst. 1) Es ist
gar wohltuend, in dem wüsten Treiben der politischen Existenz sich von
Zeit zu Zeit zurückzutauchen in eine bessere Zeit und in ihren Schmerz.
Gerade so ist es, wenn man von Zeit zu Zeit in eine Kirche geht, was
ich besonders gern jetzt tue, wo die wunderschönen Maiandachten in der
Dämmerung gehalten werden. Denn in der politischen Beschäftigung, die
recht nützlich und mir recht angenehm ist, zehrt sich das Gemüt ganz auf,
und der Mensch wird zum berechnenden egoistischen Wesen. Ich habe den
heutigen Tag mit einem oratorischen Triumph gefeiert, auf den ich sehr
stolz bin und von dem ich Dir mündlich mehr erzählen werde. Unser
Landtag zieht sich von einem Tage zum andern hin, zum Teil deshalb,
weil der Hof Zeit gewinnen will und zu reagieren oder zu reaktionieren
anfängt. Ein solcher reaktionärer Versuch der Hofpartei hat mir heute
Morgen Gelegenheit gegeben, diese Partei niederzudonnern, wodurch nebenbei
nun unfre Geschäfte beschleunigt werden.
1) Der 24. Mai war der Geburtstag, der 3. Mai der Todestag des Fürsten
Philipp Ernst.
2) Die Rede des Fürsten bezog sich auf das Gesetz über die Ministerverant-
wortlichkeit. Die Augsburger Allgemeine Zeitung berichtet: „Die Fürsten Waller-