Die Revolution und die Reichsgesandtschaft (1848 bis 1850) 61
Ich glaube, es dürften alle, die an den verbrecherischen Bestrebungen des
letzten Frühjahrs teilgenommen haben, in zwei Hauptabteilungen zerfallen:
1. die eigentlichen Demagogen oder Radikalen von Profession,
2. Revolutionäre aus vorübergehenden Motiven.
Es ist bekannt, daß eine Partei, eine weitverbreitete Sekte besteht,
die, mit der gegenwärtigen sittlichen und staatlichen Ordnung der Dinge
zerfallen, eine neue erstrebt. Durch das Studium der Philosophie, ins-
besondere der Hegelschen, sind die Führer dieser Partei zu der Ueberzeugung
gelangt, daß das Christentum eine Lüge, der christliche Staat also auf
Irrtum gegründet sei. Sie wollen also die von ihnen erkannte Wahrheit
in Religion und Staat zur Geltung bringen. Was sie uns Positives
bringen wollen, habe ich bei den eifrigsten Forschungen nie recht erfahren
können. Wo sie zum praktischen Handeln gezwungen werden, ist das
Geltendmachen der Theorie, die ihnen vorschwebte, an dem bloß negieren-
den Charakter eben dieser Theorie zugrunde gegangen. Mazzini in Italien,
Pierre Leroux in Frankreich, Karl Vogt — ich nenne nur besonders
hervorragende Persönlichkeiten der Partei —, alle haben sich bisher nur
im Verneinen bedeutend gezeigt. Wäre aber auch diese Partei imstande,
ein neues religiöses und soziales Gebäude aufzuführen, so könnte sie es
nur, nachdem sie das bestehende vollständig zerstört hätte. Hier begegnet
sie nun dem Widerstande der vernünftigen Männer. Es ist klar, daß
aus einer Zerstörung der gegenwärtigen Zivilisation nur Barbarei ent-
stehen kann. Es ist also Pflicht, den Bestrebungen der radikalen Partei
mit größter Entschiedenheit entgegenzutreten. Die radikale Partei ist zu
klug, als daß sie zur Versöhnung, die ihr nichts nutzt, je die Hand bieten
sollte. Sie will eben Kampf. Dieser also Verzeihung, Milde zuteil werden
zu lassen, wäre Schwachheit.
Allein gerade diese Partei ist in der Pfalz wenig vertreten. Ihre
Führer haben sich fast alle in Sicherheit gebracht. Es bleibt uns haupt-
sächlich die zweite Klasse, nämlich die Revolutionäre aus vorübergehender
Veranlassung, die politisch Aufgeregten, deren Bewegung sich legt wie die
Wellen des Meeres, wenn der Sturm aufhört. Als im vergangenen Jahre
die Begeisterung für das einige Deutschland das Land durchzog, da stellten
sich edle Männer an die Spitze der Bewegung und sagten dem Volke:
„Beruhigt euch, wir wollen auf gesetzlichem Wege ein einiges Deutschland
schaffen!“ Die Nationalversammlung trat zusammen, das Volk beruhigte
sich und wartete. Es wartete ruhig ein ganzes Jahr. In diesem Jahre
beruhigte sich die Revolution, die Regierungen erstarkten. Ja, die Be-
geisterung für die deutsche Einheit erkaltete in manchen Herzen. Viele von
denen, welche in Frankfurt zusammensaßen, hatten selbst nicht Lust, das
Werk zustande zu bringen. Als nun die Verfassung mit Not und Mühe