Full text: Denkwürdigkeiten des Fürsten Chlodwig zu Hohenlohe-Schillingsfürst. Erster Band. (1)

80 Aus den Jahren 1850 bis 1866 
nach Hause und holte Marie ab, um in die Peterskirche zu gehen. Hier 
fanden wir den Papst schon am Hochaltar, die Messe lesend. Wir hörten 
diese und die andre Messe, welche der Papst nach Beendigung seiner Messe 
anhörte, sahen dann Gustav noch einen Augenblick in der Kirche, während 
der Papst in einem Zimmer vor der Kirche mit dem Eingang unter dem 
Monumente des Papstes Alexanders VIII. frühstückte, und eilten dann 
vor die Kirchentür, um hier den Papst noch zu sehen. Auf dem Platze 
waren viele Truppen aufgestellt. Dazwischen sah man die mit Postpferden 
bespannten Reisewagen des Papstes. Bald darauf, ungefähr um 8 ½ Uhr, 
trat der Papst mit seinem Gefolge aus der Kirche. Als er in unfrer Nähe 
war, sagte ihm Paur, daß wir da seien, da wandte er sich noch freund- 
lich gegen uns und gab uns seinen Segen. Wir gingen nun mit dem 
Gefolge hinter ihm her die Stufen hinab und sahen ihn in den Wagen 
einsteigen. Kardinal Antonelli küßte ihm zum Abschied die Hand. Der 
Papst segnete noch aus dem Wagen das Volk, und die Wagen fuhren zur 
Porta Angelica hinaus. Gustav saß im zweiten Wagen. 
Ueber die damalige römische Gesellschaft sagt das römische Tagebuch: 
Wenn man von der römischen Gesellschaft spricht, so muß man drei 
Kategorien scharf unterscheiden: die eigentlich römische Gesellschaft oder die 
römische Aristokratie, das diplomatische Korps, die Fremden. Die römische 
Gesellschaft oder römische Aristokratie ist eine der besten Gesellschaften der 
Welt. Der Anstand (das decoro), der dem römischen Volke überhaupt 
eigentümlich und angeboren ist, dieses feine Gefühl für Schicklichkeit ist 
natürlich bei dem vornehmsten Teile des Volkes, der Aristokratie, ganz 
besonders ausgebildet und gibt der Gesellschaft einen Anstrich von Wohl- 
anständigkeit, der auf den zivilisierten Menschen einen angenehmen Ein- 
druck hervorbringt. Allerdings gibt das der Gesellschaft auch eine gewisse 
Steifheit, die im Anfang auffällt, die aber bei näherer Bekanntschaft ver- 
schwindet, wo dann im vertrauteren Umgange die höchst willkommene 
Zurückhaltung und Höflichkeit übrigbleibt. Im allgemeinen findet man 
wenig Bildung in den höheren Klassen, die Männer sind, mit wenigen 
Ausnahmen, sehr unwissend, unter den Frauen findet man auch wenig 
gebildete, doch fand ich mehr Wissen unter den Frauen als unter der 
Masse der Männer. Die Erziehung der letzteren ist im allgemeinen höchst 
mangelhaft, sie besuchen weder öffentliche Schulen noch suchen sie irgend- 
eine wissenschaftliche Bildung zu erlangen. Wenn sie die Jahre des 
Elementarunterrichts hinter sich haben und etwas Französisch können, so 
ist die Erziehung vollendet, und der junge Mann tritt nun höchst sorg- 
fältig gekleidet in die Welt. Einzelne studieren dann noch auf der Uni- 
versität. Da sie indessen keine Aussicht haben, eine Karriere zu machen,
	        
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