82 Aus den Jahren 1850 bis 1866
stattfinde. Ueberhaupt hat die römische Aristokratie trotz aller ihrer Fehler
größeres Ansehen, größeren Respekt, größere Anhänglichkeit beim Volke
als wir in Deutschland. Der bei uns herrschende Neid der niederen
Klassen gegen die höheren, dieser demokratisch revoltierende Geist, der bei
uns alle Schichten der Gesellschaft durchdrungen hat, existiert dort nur in
den Köpfen der revolutionären Sekten, nicht in dem Kern und in der
Masse des Volks.
3. Aus dem Jahre 1859.
Im Beginn des Jahres 1859 begab sich der Fürst nach Berlin, um
sich von den leitenden Persönlichkeiten und den Tendenzen der neuen
preußischen Politik durch eigne Anschauung zu unterrichten. Ueber seine
Eindrücke geben die folgenden Aufzeichnungen Aufschluß.
Politische Notizen, gesammelt in Berlin 1859.
Bildung des Ministeriums. Fürst von Hohenzollern wird als ge-
eignet betrachtet, das zu ersetzen, was dem Prinzen von Preußen fehlt:
Geschäftsgewandtheit und Charakterstärke. Gegengewicht gegen den Einfluß
des Herrn von Auerswald, den man als unzuverlässig, falsch und zu liberal
bezeichnet. Er hat Schulden, ist faul und genießt seines Privatlebens
wegen keine Achtung. Herr von Patow ist ein guter Geschäftsmann, der
seine Sache versteht und die Sympathien der konservativen Partei erworben
hat. Bethmann-Hollweg tritt gegen die zu streng orthodoxe Partei auf, ohne
Rationalist zu sein. Herr von Bonin hat nicht das Vertrauen der Armee,
sie hält ihn für zu liberal. Herr von Voigts-Reetz ist in das Kriegs-
ministerium berufen worden, um die Armee zu beruhigen. Die bevor-
stehende und nötige Reorganisation der Armee findet an der Trägheit des
Ministers ein Hindernis. Flottwell ist zu alt und soll bald wieder abtreten.
Arnim Beoitzenburg wollte nur unter der Bedingung eintreten, daß Auers-
wald abträte. Dies will der Prinz-Regent nicht, da Auerswald sein Freund
ist. Schleinitz hat sich das Vertrauen der Diplomatie erworben.
Berlin, 17. Februar 1859.
Das preußische Kabinett wünscht den Frieden zu erhalten, weil es
keine Lust hat, einen Nationa kkrieg zu beginnen, dessen Ende und zwar
dessen glückliches Ende einen Nationalfrieden bedingen, d. h. die bei dem
Kriege mitwirkende Nation zu Hoffnungen berechtigen würde, deren Reali-
sierung man als sehr unbequem ansieht. Man gibt sich also von hier aus
alle mögliche Mühe, das aus dem Leim gegangene europäische Konzert
wieder zusammenzuleimen. Man stößt aber dabei