84 Aus den Jahren 1850 bis 1866
14. März.
Eine wirklich kleindeutsche Politik, wie sie im Jahre 1849 versucht
wurde, scheint hier wenigstens für den Augenblick nicht angestrebt zu werden.
Alles beschränkt sich auf Mißtrauen gegenüber Oesterreich und auf eifer-
süchtige kleine Querellen. Eine positive Politik wird nicht verfolgt. Das
Ministerium hat keine Staatsmänner. Das hat sich auch während der
Debatte im Herrenhause bewährt. Der Ausdruck eines großen Teils der
öffentlichen Meinung in Preußen findet sich in der Broschüre „Preußen
und die italienische Frage“. 1) Bei dieser Reizbarkeit preußischer Eitelkeit
wird hier von vernünftigen Männern bedauert, daß man von österreichi-
scher Seite nicht vorsichtig genug zu Werke geht, wenn es sich um Ab-
fassung von Depeschen in deutschen Angelegenheiten handelt, und es wird
sehr gewünscht, daß man von Bayern aus in dieser Beziehung guten Rat
geben möchte.
22. März.
Es verbreitet sich das Gerücht eines europäischen Kriegs. Das
Ministerium ist hier nicht mehr recht solid. Es fehlt ein tüchtiger Minister
des Innern und ein Redner im Ministerium. Man weiß nicht, wen man
nehmen soll, auch ein andrer Handelsminister ist notwendig.
27. März.
..Ich wurde hier durch einen Artikel der „Allgemeinen Zeitung“
überrascht, der mir die Stelle eines bayrischen Ministers der neuen Aera,
des Chefs eines Ministeriums der Morgenröte in Aussicht stellt. Ob der
König von Bayern diese Idee haben wird, weiß ich nicht.
31. März.
.. . Neuere Nachrichten aus München lassen mich hoffen, daß der
Ministerkelch diesmal an mir vorübergehen wird.
Notizen über eine Reise nach England im Juni 1859.
Veranlassung zu der Reise war die Bitte meiner Tante, der Fürstin
Feodora von Hohenlohe-Langenburg, sie nach England zu begleiten, wohin
sie durch die Krankheit ihrer Mutter, der verwitweten Herzogin von Kent,)
1) Von Konstantin Rößler.
2) Der Herzog von Kent, jüngerer Bruder Wilhelms IV., war vermählt mit
der Prinzessin Viktoria von Sachsen-Saalfeld-Koburg. Diese war in erster Ehe
vermählt gewesen mit dem Fürsten von Leiningen. Ihre Tochter erster Ehe war
die Prinzessin Feodora, welche seit dem 18. Februar 1828 mit dem Fürsten Ernst zu
Hohenlohe-Langenburg, dem Bruder der Mutter des Fürsten Chlodwig, vermählt
war. Sie war also die Halbschwester der Königin Viktoria.