Full text: Denkwürdigkeiten des Fürsten Chlodwig zu Hohenlohe-Schillingsfürst. Erster Band. (1)

Aus den Jahren 1850 bis 1866 85 
gerufen war. Da der Fürst von Langenburg krank ist, die Söhne im 
Militärdienst stehen, so war es der Fürstin wünschenswert, eine andre 
verwandte Begleitung zu haben und mir dadurch Veranlassung gegeben, 
zu sehen, wie es in England in diesem Augenblicke aussieht. Ich beeilte 
mich also, dem Wunsche der Tante zu entsprechen, verabredete durch Briefe 
unser Zusammentreffen am 21. Juni in Mainz und machte mich an diesem 
Tage früh auf den Weg. Marie begleitete mich, da sie ihre Eltern in 
Sayn besuchen wollte. In Mainz fanden wir die Tante. Von Koblenz 
fuhr ich mit ihr allein den Rhein hinunter, kam um 6 Uhr nach Köln, 
besuchte den Dom und fuhr dann abends noch bis Aachen, wo wir die 
Nacht zubrachten. Den andern Morgen, am Fronleichnamstag, ging ich 
erst in die Kirche und setzte dann mit der Tante die Reise bis Ostende 
fort, wo wir um 6 Uhr abends ankamen. Am Bahnhof empfing uns 
der Kapitän des für uns herübergesandten Schiffs, Kapitän Smithead, ein 
alter ansehnlicher Seemann mit weißem Backenbart und majestätischer 
Haltung. Er schlug der Tante vor, erst am andern Morgen früh abzu- 
reisen, was sie mit großem Vergnügen annahm, da sie es vorzog, sich 
erst noch auszuruhen. Ich machte den Abend noch einen Spaziergang 
nach dem Hafen und den verschiedenen mir bekannten Promenaden von 
Ostende, wo es still und öde war, begrüßte einige Bekannte und ging 
dann zu Bett. 
Den 23. Juni früh um 7 Uhr waren wir auf dem Schiff, einem 
neuen, sehr schnell fahrenden Dampfer „Frederic William“. Es war ein 
heller kühler Tag, die See wenig bewegt, und nach vier Stunden zwanzig 
Minuten waren wir vor den weißen Felsenriffen der englischen Küste, 
kamen bei einem großen amerikanischen Dreimaster vorbei, der langsam 
den Kanal heruntersegelte, und fuhren bald darauf in den Hafen von 
Dover ein. 
Hier hatte sich am Ufer eine zahlreiche Menschenmenge aufgestellt, 
angelockt durch die militärische Aufstellung, die der Tante zu Ehren statt- 
fand. Sobald das Schiff angelegt hatte, kamen der Hafenkommandant, 
ein Marineoffizier und der kommandierende General mit seinem Adjutanten 
in Galauniform auf das Schiff, um die Tante zu begrüßen. Nach einer 
kurzen Vorbereitung und Umkleidung verließen wir das Schiff und gingen, 
die Tante am Arm des Generals, ich mit den übrigen hinterher durch die 
Volksmasse und durch die Spaliere der aufgestellten Linientruppen und 
Milizen auf den Bahnhof. Auch hier fanden sich innerhalb des Bahn- 
hofs militärische Aufstellungen. Längs der Waggons stand eine Kompagnie 
des durch seine Taten in Lucknow berühmten 32. Infanterieregiments. 
Von den Soldaten schienen nur wenige den indischen Feldzug mitgemacht 
zu haben, dagegen sah man den Offizieren die Wirkungen der indischen
	        
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