Full text: Denkwürdigkeiten des Fürsten Chlodwig zu Hohenlohe-Schillingsfürst. Erster Band. (1)

88 Aus den Jahren 1850 bis 1866 
beobachtete ich den Fürsten Paul Esterhazy, ) der, eben von Wien an- 
gelangt, neben der Königin saß und sie mit sehr lauter Stimme aufs beste 
unterhielt. Er erzählte ihr von seinem Aufenthalt in Rußland, und ich 
sah, daß die Königin durch seine Erzählungen sehr erheitert wurde. Als 
sich die Königin mit den Damen entfernt hatte, sah ich ihn eifrig mit 
König Leopold sprechen, auch hörte ich, daß er über die neueste öster- 
reichische Regierungspolitik sprach. Der König hörte ihm mehrenteils auf- 
merksam zu. Ich kam nun neben Prinz Albert zu sitzen und, wie natür- 
lich, kam das Gespräch sogleich auf den österreichisch-französischen Krieg. 
Ueber den Kaiser von Oesterreich und dessen Politik sprach er sich überaus 
ungünstig aus und behauptete, daß der Erzherzog Ferdinand Max nur 
deshalb keine besseren Resultate in Italien erzielt habe, weil man von 
Wien aus alles hintertrieben und zerstört habe, was er in Italien getan 
und angestrebt. Ich erwiderte ihm hierauf, daß mir dies neu sei. „Ueber- 
haupt,“ fiel er mir dann sogleich wieder ins Wort, „kann man sich von 
einem Herrn nicht viel versprechen, der von den Jesuiten erzogen wurde, 
von diesen Menschen, die in ihren Mitmenschen nur das Schlechte an- 
erkennen, die die menschliche Natur edler Gefühle und Gedanken für unfähig 
halten und immer die unlautersten Motive voraussetzen.“ Diese Menschen 
und die von ihnen inspirierte Politik sei die Veranlassung der gegenwärtigen 
Wirren. Ich erwiderte ihm darauf, daß, wenn ich auch keine besondere 
Neigung für die Jesuiten habe, ich doch bemerken müsse, daß die geheimen 
revolutionären Gesellschaften wohl den größten Teil der Schuld an den 
gegenwärtigen Wirren haben dürften und daß es leider das Zeichen einer 
im Niedergang begriffenen menschlichen Gesellschaft sei, wenn die Geschicke 
der Menschheit durch jene Gesellschaften geleitet würden. Dies bestritt 
Prinz Albert. Die geheimen Gesellschaften seien nur da vorhanden, wo 
Mißregierung sie hervorrufe; Reformen würden sie unmöglich machen, 
Freiheit der Völker werde die geheimen Gesellschaften verschwinden machen. 
Ich behauptete dagegen, daß mir das sehr unwahrscheinlich sei. In den 
Republiken des spanischen Amerikas gebe es so gut geheime Gesellschaften. 
wie in Italien. Unter den Völkern romanischer Rasse werde immer die 
Partei, welche nicht an der Regierung teilnimmt, eine geheime Gesellschaft 
bilden. Auf die von dem Prinzen hierauf vorgetragene Theorie, daß das 
Christentum im philosophischen Sinne (Bunsen) das Wohl der Mensch- 
heit begründen werde, erwiderte ich ihm, daß das höchstens bei der 
deutschen Nation als eine Möglichkeit zugegeben werden könne, bei den 
romanischen Völkern aber führe Aufgeben des Autoritätsglaubens zum 
  
1) Fürst Paul Anton Esterhazy (1786 bis 1866), welcher von 1815 bis 1842 
österreichischer Botschafter in London gewesen war. 1856 war er als Krönungs- 
botschafter nach Moskau gegangen.
	        
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