Full text: Denkwürdigkeiten des Fürsten Chlodwig zu Hohenlohe-Schillingsfürst. Zweiter Band. (2)

  
Fünftes Buch 
Im Reichstage 
1870 bis 1874 
  
  
  
Aus einem Briefe des Kardinals. 
Rom, 18. März 1870. 
.. . Es ist eine schlimme Zeit jetzt, namentlich hier. Friedrich ist 
eine große Ressource für mich, und trotz aller Anfeindungen habe ich ihn 
bei mir behalten können. Was nun in den großen Fragen entschieden 
werden wird, ist gar nicht abzusehen. Stupidität und Fanatismus reichen 
sich die Hand und tanzen die Tarantella und machen dazu eine Katzen- 
musik, daß einem Hören und Sehen vergeht.) Der Bischof von Mainz, 
fürchte ich, fährt die deutsche Minorität in einen Chausseegraben. Er 
besticht die Herren durch sein Schimpfen gegen Rom u. s. w., aber hinter 
dem Rücken agiert er gegen sie, und die guten Herren glauben ihm aufs 
Wort! Wer bei allem am meisten leidet und verliert, ist die Kirche. 
Rom hat in diesen letzten Monaten selbst bei einem großen Teile des 
Episkopats unendlich verloren. Und doch ermannt sich der Episkopat 
nicht. Denn die paar Eingaben sind für nichts. Man hört nicht auf 
sie, on passe outre. Du kannst Dir kaum eine Vorstellung machen, was 
alles hier vorgeht. 
Daß Du nicht mehr die schwierige, dornenvolle Stellung hast, kann 
man auf der einen Seite beklagen, aber persönlich ist es mir lieber, daß 
Du wenigstens auf einige Zeit Ruhe hast und das Geschimpfe auf einige 
Zeit suspendiert ist. Unter dem französischen und deutschen Episkopat 
lassen Dir viele jetzt volle Gerechtigkeit widerfahren, und man wird es 
wohl erst nach und nach, aber dann allgemein Dir danken, was Du ge- 
tan hast. In mein Brevier habe ich eine aus Deinem Briefe heraus- 
geschnittene Stelle gelegt, die ich jeden Tag lese. Du sagst: „Ist das 
Leben selbst ohnedies doch nichts als Kampf, und tröstlich ist es, sich am 
Ende seiner Tage sagen zu können, daß man einen guten Kampf gekämpft 
hat.“ Ich freue mich jedesmal dieser herrlichen Worte. Nun Gott befohlen! 
  
1) Am 20. Februar hatte der Papst die neue Geschäftsordnung erlassen, welche 
das Prinzip des Majoritätsbeschlusses auch in Glaubensfragen proklamierte. Ein 
Protest der Minderheit vom 3. März blieb ohne Antwort. Am 6. März ließ der 
Papst dem Konzil einen Zusatzartikel, der die Unfehlbarkeit definierte, zugehen. Am 
12. verlangte die Mehrheit von dem Präsidium, daß der Frage der Unfehlbarkeit 
der Vorrang vor allen andern eingeräumt werde. 
Fürst Hohenlohe, Denkwürdigkeiten. II 1
	        
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