Full text: Rechtslexikon. Dritter Band. Erste Hälfte. Pachmann - Stöckhardt. (2.3.1)

94 Vost. 
Post. I. Die Entwickelung im Allgemeinen. 1) Das P wesen ge- 
hörte von seiner Entstehung an zu den wenigen Verwaltungsgegenständen, hinsichtlich 
deren eine Kompetenz des früheren Deutschen Reiches begründet war. Indeß hatte 
doch die Reichsstaatsgewalt als solche daran keinen unmittelbaren Antheil, vielmehr 
war das P.wesen schon vor dem 30jährigen Kriege ein lehnbares Recht des fürst- 
lichen Hauses Thurn und Taxis geworden, welches noch im Reichsdep.-Hauptschluß 
von 1808 § 13 und in der Deutschen Bundesacte von 1815 Art. 17 in seinem da- 
maligen Stande garantirt wurde. Es hatte übrigens zu den Kontroversen des ehe- 
maligen Reichsrechts gehört, ob beim Mangel eines förmlichen Reichsschlusses die 
Zulassung der Taxis'schen P. in den einzelnen Territorien wirklich eine reichsver- 
fassungsmäßige Verpflichtung der Reichsstände sei. Jedenfalls kam es thatsächlich 
zur Einführung derselben nur in den mittleren und kleinen Gebieten des südlichen 
und westlichen Deutschland, für welche eine derartig einheitliche Verkehrsanstalt eine 
wirkliche Wohlthat war, nicht aber in Oesterreich und in Preußen. Namentlich in 
Preußen ist dieselbe nirgends eingeführt, und mit Ausdehnung des Staatsgebiets 
überall beseitigt worden. Insbesondere wurden die Taxis'schen Rechte am Rhein 
und in Westfalen durch Vertrag vom 4. Juni 1816 in eine Jahresrente verwandelt, 
an deren Stelle wieder durch Vertrag vom 11. Mai 1819 das nutzbare Eigenthum 
eines Domänenkomplexes im Großherzogthum Posen trat, das unter dem Namen 
Fürstenthum Krotoszyn zur Standesherrschaft erhoben und als Thron-Mannlehen 
verliehen wurde. Endlich ist durch Vertrag vom 28. Jan. 1867 das ganze damals 
noch bestehende Taxis'sche Postwesen gegen eine Entschädigung von 9 Mill. Mark 
auf den Preußischen Staat übernommen worden, nicht blos in denjenigen Gebieten, 
die wie Nassau, Hessen-Homburg, Frankfurt damals Preußen inkorporirt wurden 
oder wie Hohenzollern bereits inkorporirt waren, sondern auch in den übrigen Ge- 
bieten, namentlich im Großherzogthum Hessen und den Thüringischen Staaten. 
2) In Preußen war, schon wegen der zersplitterten Lage des Staatsgebiets, der 
Ausbildung des P. wesens von jeher eine ganz besondere Aufmerksamkeit zugewandt 
worden. Schon unter dem Großen Kurfürsten wurden mit den zwischenliegenden 
kleinen Gebieten P. verträge geschlossen. Bereits 1652 wurde ein eigener General- 
postmeister an die Spitze dieser Verwaltung gestellt. Unter Friedrich dem Großen 
erging die umfassende P.ordnung vom 26. Nov. 1782. Im Allg. LR. nahmen die 
Bestimmungen über das P. wesen einen breiten Raum ein (Th. II. Tit. 15 Absch 4). 
In den 1815 neu erworbenen Landestheilen blieb die dortige Gesetzgebung allerdings 
bestehen, weil sie materiell im Ganzen übereinstimmte. Erst das P. gesetz vom 
5. Juni 1852 hat eine einheitliche Regelung für das ganze Staatsgebiet herbei- 
geführt. 
3) Die Verfassung des Nordd. Bundes und ebenso die gegenwärtige Reichs- 
verfassung hat im Art. 4 Nr. 10 bestimmt, daß das P. wesen der Beaussichtigung 
und der Gesetzgebung des Reichs unterliegen sollte. Die näheren Normativbestimmungen 
geben Art. 48—51. Diese finden jedoch auf Bayern und Württemberg nur sehr 
beschränkte Anwendung. Man muß demgemäß zwischen einem Reichspostwesen im 
weiteren und im engeren Sinne unterscheiden. Jenes bezieht sich auf das gesammte 
Reich mit Einschluß von Bayern und Württemberg, betrifft aber nur die Einheit 
der Gesetzgebung, des Tarifwesens und die Vertretung nach Außen; dieses bezieht 
sich auf das Reich mit Ausschluß von Bayern und Württemberg und begreift die 
Verwaltung der P. als einer einheitlichen Verkehrsanstalt mit gemeinsamem Budget, 
gemeinsamer Organisation und gemeinsamem Dienstbetriebe. Hinsichtlich dieser Reichs- 
postverwaltung im engeren Sinne ist aber nochmals zu unterscheiden zwischen den- 
jenigen Attributen, welche der Reichsgewalt als solcher, und denjenigen, welche 
Namens des Reichs den Einzelstaaten zustehen. Denn die Reichsgewalt als solche 
hat nur die obere Leitung, den Erlaß der gesetzlichen und reglementarischen Normen, 
den Abschluß der P. verträge, die Anstellung der oberen Beamten, während alle 
 
	        
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