Preßstrafrecht. 147
ausdrücklich für ungerechtfertigt erklärt, dem von derselben Betroffenen der Ersatz des
erweislichen Schadens aus der Staatskasse gebührt.
7) Die Verpflichtung zur Kautionsbestellung, gegen welche sich
das Deutsche Parlament schon im Jahre 1871 mit großer Majorität ausgesprochen
hatte, ist dem RPreßgesetze fremd geblieben. Dagegen hält das Oesterr. Recht
(ebenso wie das Französische) an derselben bis zum heutigen Tage fest. Die Zeitungs-
kaution soll gleichzeitig verschiedenen legislatorischen Zwecken dienen. Sie soll die
politische und finanzielle Solidität des Unternehmens verbürgen; sie soll die Ein—
treibung von Geldstrafen und Prozeßkosten sichern; sie soll endlich die Möglichkeit
gewähren, eine besondere Nebenstrafe, die des Kautionsverfalles, in das Strafensystem
einzuführen. Die Verwerflichkeit der ganzen Einrichtung, welche die angestrebten
Zwecke entweder gar nicht oder nur auf Kosten höherer Interessen erreicht, bedarf
heute keines Nachweises mehr. Nach §§ 23 ff. des Oesterr. Preßges. unterliegen der
Kautionspflicht jene periodischen (nicht von der Regierung herausgegebenen) Druck-
schriften, welche öfter als zweimal im Monate erscheinen und, wenn auch nur neben-
her, die politische Tagesgeschichte behandeln, oder politische, religiöse, soziale Tages-
fragen besprechen. Die Höhe der Kaution beträgt, je nach der Häufigkeit des Er-
scheinens und der Einwohnerzahl des Ausgabeortes, zwischen 1000 und 8000 Fl.
Der Kautionsverfall wird ausgesprochen (Preßges. § 35), wenn Jemand wegen des
Inhaltes der Druckschrift eines Verbrechens oder Vergehens für schuldig erkannt wird,
mag auch den Herausgeber selbst keinerlei Verschulden treffen. Die verfallende
Summe steigt, je nach der Schwere des begangenen Deliktes, von 60 Fl. bis zum
vollen Betrage der Kaution, eventuell also bis 8000 Fl. Wird der für verfallen
erklärte Betrag von dem Herausgeber nicht binnen drei Tagen nach Rechtskraft des
Erkenntnisses erlegt, so veranlaßt der Staatsanwalt die Zahlung aus den als Kaution
erliegenden Werthen; das Gleiche geschieht, wenn Geldstrafen oder Prozeßkosten, auf
welche „aus Anlaß der Herausgabe“ der Druckschrift erkannt wurde, von dem Be-
troffenen nicht rechtzeitig erlegt werden. Die Verminderung der Kaution führt, wenn
der Ausfall nicht binnen act Tagen ersetzt wird, zur Einstellung der Druckschrift.
Lit.: S. zu Art. Preß gesegebung. — Vgl. die Art. Herausgeber, K
gewerbe, Frößstrafreckt, Redakteur
Preßstrafrecht. P. ist der Inbegriff der Rechtsregeln über Inhalt * Um-
fang der Verantwortlichkeit für den Mißbrauch der Preßfreiheit. Das P. hat daher
zunächst Antwort auf zwei Fragen zu geben: 1) Was ist Mißbrauch der Preß-
freiheit? 2) Wie bestimmt sich die Verantwortlichkeit für diesen Mißbrauch? An
der Lösung beider Fragen haben Wissenschaft und Gesetzgebung seit Langem und —
bis auf den heutigen Tag — ohne befriedigendes Resultat gearbeitet. Die folgende
Darstellung ist nur bestrebt de lege lata, nicht aber de lege ferenda die Lösung
zu fördern.
I. Preßfreiheit ist das Recht der freien Gedankenäußerung durch Druckschriften
innerhalb der gesetzlichen Schranken und unter der gesetzlichen Verantwortlichkeit.
Der normwidrige und strafbare Mißbrauch dieses Rechtes — das auch als Preß=
recht im subjektiven Sinne bezeichnet werden kann — konstituirt das Preßdelikt.
Mit den Preßpolizeidelikten (s. d. Art. Preßpolizei) hat es so wenig zu thun,
wie die Tödtungsdelikte mit der Uebertretung des Verbotes des Waffentragens. Im
Unterschiede von dem Preßpolizeidelikte nennt man es das „uneigentliche“ oder
„materielle“, am richtigsten aber das Preßdelikt schlechtweg. Seine Begriffs-
bestimmung hat nicht blos theoretische, sondern eminent praktische Bedeutung; denn
eine Reihe von gesetzlichen Bestimmungen knüpft an das „Preßdelikt“ an, ohne dieses
zu definiren. — Der Blick auf die auswärtige Gesetzgebung fördert wenig. Die
Anschauungen des Englischen Rechtes über das Libel (vgl. d. Art. Preßgesetz-
gebung) spotten der juristischen Konstruktion. Das Französische und die unter
seinem Einflusse stehenden anderen Rechte zählen hierher: öffentliche Aufforderung zu
10