Preßstrafrecht. 153
1) der Redakteur, wenn bei Anwendung der pflichtgemäßen Aufmerksamkeit
die Aufnahme des strafbaren Inhaltes der Druckschrift unterblieben wäre;
2) der Verleger einer nichtperiodischen Druckschrift, wenn derselbe bei seiner
ersten Vernehmung einen im Inlande domizilirenden Verfasser oder Herausgeber
(einen solchen kennt das Oesterr. Recht bei nichtperiodischen Druckschriften überhaupt
nicht!) zu nennen und nachzuweisen nicht vermag;
3) der Drucker, wenn bei der Drucklegung die Vorschriften der §§ 9 und
(soll wol heißen: oder) 17 des Preßges. (Nennung des Druckers 2c., Pflichtexemplare)
nicht bobachtt wurden (also ideelle Konkurrenz mit den betreffenden Polizei-
delikten).
4) der Verbreiter, a. wenn die Verbreitung auf eine durch das Gesetz unter-
sagte Weise geschah (Konkurrenz mit der Preßgewerbeübertretung des § 23 des
Preßges.); b. wenn die verbreitete Druckschrift mit Verbot oder Beschlag belegt war
(Konkurrenz mit den betreffenden Preßpolizeidelikten); c. wenn auf der Schrift die
Angabe des Ortes des Erscheinens gänzlich fehlt oder weder der Verfasser, noch ein
gewerbsmäßiger Verleger angegeben ist oder die Unrichtigkeit dieser Angaben erkenn-
bar war; d. wenn im Auslande erschienene und im Inlande verbreitete Schriften
durch ihren Titel oder durch den Gegenstand, bildliche Darstellungen oder durch die
Art der Zufendung die Aufmerksamkeit zu erregen geeignet waren.
Die preßrechtliche Fahrlässigkeit ist immer Uebertretung; die Strafe stuft sich
ab nach der Schwere des in der Druckschrift enthaltenen Preßdeliktes: Arrest von
1—6 Monaten, wenn dieses ein Verbrechen, Geldstrafe von 20—200 fl., wenn
dieses ein Vergehen ist. —
III. Wahrheitsgetreue Berichte über Verhandlungen in den öffentlichen
Sitzungen des Reichstages oder über Verhandlungen eines Landtages oder
einer Kammer eines zum Deutschen Reiche gehörenden Staates können weder
zur Verfolgung der an der Berichterstattung betheiligten Personen, noch auch zur
Einleitung des objektiven, auf Unbrauchbarmachung der Druckschrift gerichteten Ver-
fahrens führen (RVerf. Art. 22, Straf GB. § 12, Oesterr. Preßges. § 29). Da-
gegen fehlt eine analoge Exemtion der Berichte über Gerichtsverhand-
lungen. Die vielfach aufgestellte, von der Deutschen wie Oesterreichischen Praxis
aber stets zurückgewiesene, Behauptung, daß die Berichterstattung über öffentliche
Gerichtsverhandlungen schon wegen dieser Oeffentlichkeit straflos bleiben müsse, ist
darum unhaltbar, weil die Oeffentlichkeit des Gerichtssaales eine andere ist als die
der Presse, eine andere nach ihrer inneren Natur, wie nach ihren Wirkungen. Diese
Berichte stehen also unter der Herrschaft der allgemeinen Grundsätze des Straf= und
Preßrechtes. Stellt sich der Bericht als die nach der objektiven, wie nach der sub-
jektiven Seite selbständige Reproduktion eines strafbaren Thatbestandes dar, so kann
der Umstand, daß es sich lediglich um Reproduktion handelt, keinen Einfluß auf die
Rechtswidrigkeit oder Strafbarkeit des Thuns äußern. Derselbe Grundsatz kommt
aber auch dann zur Anwendung, wenn die Verhandlung bei geschlossenen Thüren
stattgefunden hat; vorausgesetzt, daß die Berichterstattung nicht gegen die Bestim-
mungen des § 17 des Preßges. verstößt.
IV. Die meisten Preßgesetze haben, dem von Frankreich (26. Mai 1819) ge-
gebenen Beispiele folgend, die Verjährung der Preßdelikte an eine kürzere
Verjährungsfrist gebunden. Die Gründe für diese Sonderbestimmung lassen sich auf
zwei Gesichtspunkte zurückführen. 1) Mag es auch zunächst den Anschein haben,
als wäre kein Grund dazu vorhanden, den Mißbrauch der Preßfreiheit anders zu
behandeln, als jeden anderen Mißbrauch des Rechtes der freien Gedankenäußerung,
so ergiebt sich doch ein wesentlicher Unterschied, sobald wir, von den regelmäßigen
Formen der nichtperiodischen Presse absehend, nur die politische Tagespresse ins Auge
fassen. Der Redner, der in öffentlicher Volksverfammlung spricht, hat Zeit gehabt,
seine Worte vorher auf der Wagschale der Ueberlegung zu prüfen; der Journalist