Full text: Rechtslexikon. Dritter Band. Erste Hälfte. Pachmann - Stöckhardt. (2.3.1)

178 Privatanklage. 
gerichtliche Verfolgung nur auf Verlangen eines Betheiligten stattfindet“, sind auch 
nach dem neuesten Straf Prz. R. durchaus Gegenstand der „P.“ (§ 2 Abs. 2); die Er- 
hebung der letzteren muß jedem Einschreiten der öffentlichen Behörde unbedingt voran- 
gehen; auf den Wunsch des Privatanklägers kann zwar der Staatsanwalt dessen 
Vertretung übernehmen, sonst aber findet eine Einmischung der Staatsanwalt- 
schaft in die Verhandlung der Sache in keiner Weise statt (Strafß O. § 46). Der 
Privatankläger kann bis zu dem Augenblicke, wo der Gerichtshof sich zur Berathung 
des Urtheils zurückzieht, von der Anklage mit der Wirkung definitiver Beendigung 
des Verfahrens und der Erlöschung des materiellen Klagerechtes zurücktreten (Strafe#. 
§ 530; Straf O. § 259 Z. 2). Diese Regelung des Gegenstandes hat zu Klagen 
keinen Anlaß gegeben. Der Entwurf des Strafgesetzes konnte daher, wie eng er sich 
sonst an das Deutsche Strafgesetz anschloß, dessen System (auch ganz abgesehen von 
den laut gewordenen Bedenken) nicht einfach annehmen, sollte aber auch auf die Vor- 
theile, welche man in der Vermehrung der Fälle, in welchen dem Willen des Ver- 
letzten ein Einfluß gestattet ist, erblicken dürfte, nicht verzichten. Während also das 
bisherige Oesterr. Recht nur P. delikte, das Deutsche Gesetz nur Antragsdelikte 
kannte, läßt der Entwurf Beide zu. Nur „auf Grund einer P.“ zu bestrafen sind, 
wie die Motive sagen, Handlungen, „bei denen das Interesse des Verletzten an Er- 
langung der Genugthuung oder an Unterlassung der Verfolgung“ (ersteres z. B. 
beim Nachdruck, letzteres beim Ehebruch), „das öffentliche Interesse so überwiegt, 
daß ihm die Verfolgung ganz überlassen werden kann und der Staat nicht weiter 
einzutreten hat“, dagegen sind „nur auf Antrag zu verfolgen“ solche Handlungen, 
bei denen „dies zwar nicht in gleichem Maße der Fall ist, jedoch besondere Gründe 
hinzutreten, welche die Staatsgewalt bestimmen, ihr Einschreiten von der Initiative 
des Einzelnen abhängig zu machen“. Den Unterschied beider Gattungen lassen die 
§§ 80—83 des Entwurfes in Folgendem herantreten: Die Antragsdelikte sind Gegen- 
stand der öffentlichen Anklage, welch’' letztere lediglich durch Stellung des Antrages 
von Seite eines hierzu Berechtigten bedingt ist; der Antrag bezieht sich auf „die 
That“; er ist eben darum hinsichtlich der Personen untheilbar, und da er nicht 
widerruflich ist, übt er keinen anderen Einfluß auf den Prozeß, als welchen eine 
Bedingung der Ergreifung der Initiative seitens der Staatsanwaltschaft üben kann. 
Der „Privatankläger“ dagegen ist von Anfang bis zu Ende dominus litis; die P. 
muß gegen bestimmte Personen, auf welche das Verfahren zu beschränken ist, ge- 
richtet sein, und sie kann bis zum Beginn der Vollstreckung des Strafurtheiles zurück- 
genommen werden. Der Ausschuß des Oesterr. Abgeordnetenhauses hat sich diesen 
Vorschlägen vollständig angeschlossen. 
Zum bereits geltenden Oesterr. Recht zurückkehrend, in welchem das Antrags- 
delikt noch keinen Platz hat, ist der subsidiären P. Erwähnung zu thun, welche 
durch die §§ 47—49 der StrafP O. von 1873 geregelt wird. Sie nimmt zum Aus- 
gangspunkt den in Oesterreich vorlängst bestehenden Adhäsionsprozeß. Der durch die 
strafbare Handlung „in seinen Rechten Verletzte kann sich . seiner privatrechtlichen 
Ansprüche wegen dem Strafverfahren“ als Privatbetheiligter anschließen. Er 
kann also neben dem Staatsanwalt auf die Verurtheilung des Beschuldigten hin- 
arbeiten, und es scheint also nur ein naheliegender weiterer Schritt, daß er, wenn 
der Staatsanwalt die Verfolgung verweigert oder von derselben zurücktritt, den 
durch das Anklageprinzip gebotenen Verfolgungsantrag suppliren kann. Dieser 
Antrag unterliegt, auch wenn er vom Staatsanwalt ausgeht, in jedem Stadium 
der Prüfung des Gerichtes; von dem des Subsidiaranklägers gilt das Gleiche, nur 
daß bei seinem Einschreiten die Voruntersuchung stets obligatorisch ist (von straf- 
baren Handlungen unterster Ordnung ist hier ganz abgesehen) und daß zu ihrer 
Einleitung nicht die Zustimmung des Untersuchungsrichters genügt, sondern ein Be- 
schluß der Rathskammer erforderlich ist. — Durch solches Einschreiten des „Privat- 
betheiligten“ verliert der Prozeß nicht den Charakter, den die Natur der strafbaren
	        
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