Full text: Rechtslexikon. Dritter Band. Erste Hälfte. Pachmann - Stöckhardt. (2.3.1)

218 Prozeßleitung. 
dies ausdrücklich vorschreiben oder ihre Vorschriften lediglich das Parteünteresse 
schützen sollen, wie denn der Staat, abgesehen von Ehe= und Entmündigungssachen, 
kein Interesse daran hat, ob eine Partei der anderen Geständnisse machen, ihre 
Privaturkunden anerkennen, ihr oder einem Zeugen den Eid erlassen will, während 
z. B. gegen Zulassung Meineidiger zum deferirten Eide auf Seiten des Schwörenden 
die Gefahr neuen Meineides, auf Seiten des Gegners die Möglichkeit der Benutzung 
der Delation, um den Delaten zum Meineid zu verleiten und in Strafe zu bringen, 
also sittliche Gründe von allgemeiner Bedeutung sprechen. Handelt es sich hier demnach 
um die Vorschriften des Gem. Rechts und der Deutschen CPO., so ergiebt sich für 
ersteres, was die negative P. zunächst anlangt, die Richtigkeit der von Grolmann 
aufgestellten Regel, daß der Richter bezüglich dieser Thätigkeit an den Antrag der 
Parteien nicht gebunden ist, schon aus dem Grunde, daß der Richter nicht nur 
Nichtigkeiten, Chikanen und Verschleppungen entgegenzutreten, sondern den Parteien auch 
die Rechtsverfolgung nur insoweit zu gestatten hat, als sich ihre Handlungen inner- 
halb der durch Gesetz und Sachlage gezogenen Grenzen bewegen, also fehlerhafte 
Handlungen zurückzuweisen oder berichtigen zu lassen hat. Die Deutsche CPO., 
welche nach ausdrücklicher Erklärung der Motive auf dem Boden der Verhandlungs- 
maxime steht, was jedoch insbesondere hinsichtlich der Regel: quod non est in actis, 
non est in mundo nicht ganz zutrifft, hat sich zur negativen P. verschieden gestellt. 
Abweisung von Amtswegen ist gestattet wegen Unzulässigkeit des Rechtsweges, wegen 
sachlicher oder örtlicher Unzuständigkeit aber nur, wenn die Sache vor einen aus- 
schließlichen Gerichtsstand gehört oder die Klage bei der Kammer für Handelssachen 
oder bei einem Gerichte höherer Instanz angebracht wurde oder die Sache keine ver- 
mögensrechtliche ist, während in anderen Fällen, wenn die Sache vermögensrechtlicher 
Art ist, im Verfahren unter Anwesenden, weil hier ausdrückliche Vereinbarung oder still- 
schweigende durch Einlassung möglich ist, Antrag oder Einrede zur Abweisung er- 
fordert werden, im Versäumnißverfahren dagegen nach der auch vom Reichsgericht an- 
genommenen richtigen Ansicht wieder Prüfung und Abweisung von Amtswegen ein- 
treten. Die Berichtigung von Mängeln der Legitimation kann im anwaltsfreien 
Prozeß von Amtswegen veranlaßt werden, im Anwaltsprozeß die des Mangels der 
Vollmacht nur auf Antrag. Für Klag-, für Berufungs-, Revisions-, Einspruchs- 
sätze sind nothwendige Erfordernisse aufgestellt; Mangel derselben in der Klage führt 
in den schriftlichen Prozedurarten zu sofortiger amtlicher Abweifung, in den münd- 
lichen berechtigt er zwar zur Abweifung des Antrages auf Versäumnißurtheil, aber 
nicht zur Weigerung von Terminsansetzung und Verhandlung und selbst im Urkunds- 
prozeß nicht zur Versagung der Verurtheilung auf Anerkenntniß, wie er auch in der 
mündlichen Verhandlung verbessert werden kann, eine Verbesserung, welche aber 
wiederum für die nothwendigen Bestandtheile der Einspruchs-, Berufungs= und 
Revisionssätze nicht gilt. Verspätete Vertheidigungsmittel, Zeugenbeweise und Editions= 
gesuche gegen dritte Personen können nur auf Antrag zurückgewiesen werden, anderer- 
seits aber hat man aus dem Grundsatze freier Beweiswürdigung, der sich jedoch nur 
auf das Ergebniß aufgenommener Beweise, nicht auf die Frage der Erforderlichkeit 
derselben bezieht, für den Richter das Recht ableiten wollen, bei Auflage der Notheide 
frustratorisch angebotene Beweise von Amtswegen beiseitezusetzen, welche amtliche 
Beiseitesetzung dagegen bei Werthbestimmung des Streitobjekts und bei Schadensklagen 
gestattet ist. —. Bezüglich der positiven P. ferner erleidet zunächst die Regel: 
non procedat judex ex officio im Gem. Recht schon für die ordentliche Prozedur, 
geschweige denn für die unter dem Gesetze freiester P. stehende unbestimmt summarische 
Prozedur und den Konkursprozeß, durch die Pflicht des Richters für Beobachtung 
der substantialia judicii, daher namentlich auch für Regulirung der Legitimationen 
mit Einschluß von Kuratoren= und Anwaltsbestellung zu sorgen, ferner durch An- 
ordnung von Verbindung, Trennung, Reihenfolge und Sistirung der Prozesse, sowie 
Abzweigung von Inzidentverhandlungen, durch den Grundsatz des wechselseitigen
	        
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