Prüfungswesen. 229
hörten, während Handelsrecht, Verwaltungsrecht und Praktika als Zwangskollegien
nicht aufgezählt wurden, endlich das Bestehen von drei Prüfungen erfordert, von denen
die erste, in einer mündlichen Befragung und in schriftlichen Klaufurarbeiten bestehend,
bei jedem Oberlandesgerichte vor zwei Mitgliedern desselben die zweite nach 1 ½/ jähriger
praktischer Beschäftigung in derselben Weise, nur daß an Stelle der Klausurarbeiten
eine Relation trat, die dritte nach 2 ½ jähriger Beschäftigung bei der Immediat-Justiz-
Examinations-Kommission abgelegt wurde, wobei die mündliche der schriftlichen Prüfung
vorherging, die letztere in einer Relation und in einer wissenschaftlichen Abhandlung
bestand. Der Art. 90 der Verf. Urk. hat dann den Grundsatz aufgestellt, daß zu einem
Richteramte nur Derjenige zu berufen sei, der sich nach Vorschrift der Gesetze dazu
befähigt habe. Das neue Gerichtsorganisationsgesetz, die sog. Verordn. vom 2. Jan.
1849, stellte eine Revision der geltenden Vorschriften in Aussicht. Eine solche ist jedoch
zunächst nur im Verordnungswege herbeigeführt worden, indem das Regulativ vom
5. Dez. 1864 die Zwangskollegien aufhob, die Ablegung der ersten Prüfung auf sechs
Appellationsgerichte beschränkte, und die Prüfungskommission bei jedem derselben aus
dem Präsidenten, zwei vom Justizminister ernannten Richtern, und zwei vom Kultus-
minister ernannten Universitätslehrern bildete; die Regierung war zu diesen Aenderungen
der Allg. Ger. O. befugt, weil es sich dabei nur um Einzelheiten der Ausführung
handelte, die auch gegenwärtig noch, nach Erlaß eines neuen Gesetzes, den Inhalt
des Regulativs bilden. Eine neue gesetzliche Regelung ist erst in Folge des Erwerbs
der neuen Landestheile, welcher im Interesse der Staatseinheit eine gleiche An-
stellungsfähigkeit für alle Provinzen erheischte, durch das Gesetz vom 6. Mai 1869
über die juristischen Prüfungen und Vorbereitung zum höheren Justizdienst erfolgt.
Die Hauptveränderung gegenüber dem bisherigen Rechtszustande bestand darin, daß,
in Uebereinstimmung mit der Einrichtung in Hannover und den übrigen neuen
Provinzen (Verordn. vom 26. Juni 1867), die drei Prüfungen auf zwei reduzirt
wurden. Wenn nänlich schon die Natur der Sache auf zwei Prüfungen hinweist,
von denen die eine nach zurückgelegtem Universitätsstudium, die andere nach erlangter
Vorbildung und Schulung im praktischen Dienste abzulegen ist, so beruhte auch
in der That das mittlere Preußische Examen nur auf dem historischen Umstande,
daß dasselbe in früherer Zeit eine untere Richterqualität verliehen hatte, insofern
die Betreffenden zu den Stellungen der Justitiarien und Unterrichter befähigt
waren, während bereits das Nachtragsgesetz vom 26. April 1851 Art. XV. zu
jeder Richterstelle die Ablegung der dritten Prüfung erfordert hatte, wogegen die
zweite nur noch zur zeitweisen Funktion eines Hülfsrichters bei Gerichten erster
Instanz rc. qualifiziren sollte; nur für die Friedensrichter und Notare der Rhein-
provinz genügte das zweite Examen. Mit dem Gesetze vom 6. Mai 1869 sind
jedoch gegenwärtig die §8§ 2 und 3 des GVG. für das Reich und der § 1
des Preuß. Ausf. Ges. vom 24. April 1878 zu verbinden. Zu dem Gesetze vom
6. Mai 1869 wurde das Regulativ des Justizministers vom 29. Dez. 1869 er-
lassen, welches dann durch das Regulativ vom 6. Dez. 1875 ersetzt wurde, an dessen
Stelle nunmehr das Regulativ vom 22. August 1879 getreten ist, welches jedoch
durch die justizministerielle Verfügung vom 20. März 1880 bereits wieder einige
Aenderungen erfahren hat.
Demgemäß ist gegenwärtig in ganz Deutschland die Fähigkeit zum Richteramte
durch ein dreijähriges Rechtsstudium auf einer Universität, und zwar für mindestens
die Hälfte dieses Zeitraums auf einer Deutschen Universität (während das Preußische
Gesetz nur eine Universität erforderte, auf welcher in Deutscher Sprache gelehrt wird),
sowie durch die Ablegung zweier Prüfungen bedingt, zwischen denen ein Zeitraum
von mindestens drei Jahren liegen muß, welcher im Dienste bei den Gerichten und
bei den Rechtsanwälten zu verwenden ist, und zum Theil auch bei der Staats-
anwaltschaft verwendet werden kann; in den einzelnen Bundesstaaten kann jedoch be-
stimmt werden, daß der für das Universitätsstudium oder für den Vorbereitungs-