Prüfungswesen. 231
grundsätze der Nationalökonomie, der Polizei= und der Finanzwissenschaft sich an-
geeignet, und wenigstens allgemeine Bekanntschaft mit den kameralistischen Hülfs-
wissenschaften, insbesondere auch der Landwirthschaftslehre erlangt habe. Diese
Prüfung war jedoch eine blos mündliche und wurde unter vem Vorsitz des Regierungs-
präsidenten von zwei Regierungsräthen vorgenommen. Endlich die dritte Prüfung
erfolgte nach vollendetem Vorbereitungsdienst bei der Regierung auf Grund eines
vom Regierungspräsidenten nach Berathung im Plenum ausgestellten Generalattestes
durch die Ober-Examinations-Kommission, und zerfiel in eine schriftliche, auf eine
Abhandlung über einen staatswissenschaftlichen, über einen politischen und über einen
finanziellen Gegenstand sich erstreckende, und in eine mündliche Prüfung.
Bereits 1868 wurden die Regierungspräsidenten angewiesen, keine Referendare
mehr anzunehmen, weil einerseits die Zweckmäßigkeit einer spezifischen von der all-
gemeinen juristischen abweichenden Vorbereitung für den Verwaltungsdienst zweifel-
haft geworden war, und weil andererseits durch die zahlreichen Verwaltungsbeamten
aus den neuen Landestheilen das Bedürfniß auf lange Zeit hinaus gedeckt wurde.
Die bisherige Verwaltungslaufbahn wurde dann auch rechtlich dadurch unmöglich
gemacht, daß in Folge des Gesetzes vom 6. Mai 1869 das zweite juristische Examen,
welches die Voraussetzung zum Uebertritt in die Verwaltung bildete, weggefallen
war. Es konnte nun die Frage entstehen, ob die vollziehende Gewalt berechtigt
sei, einseitig das Prüfungswesen der Verwaltungsbeamten zu ordnen, oder ob dazu
der Landtag mitwirken müsse. Insofern man für die Entscheidung dieser Frage
darauf rekurrirt, ob die fragliche Anwendung schon in der verfassungsmäßigen Zeit
einen „gesetzlichen“ Charakter habe, so kommen dafür formelle und materielle Momente
in Betracht. In formeller Hinsicht können für den gesetzlichen Charakter des Regulativs
von 1846 die Publikation in der Ges. Samml. und die behufs derselben ergangene
königl. Kab. Ordre sprechen, während doch andererseits nicht zu verkennen ist, daß
sich zahlreiche derartige Regulative in der Ges. Samml. finden, ohne daß man die
Folgerung einer ihnen innewohnenden Gesetzeskraft daraus ableitete, und daß ins-
besondere in dem hier in Betracht kommenden Regulativ jedenfalls auch solche An-
ordnungen zu finden, welche unter keinen Umständen dem Gesetzgebungsgebiete an-
gehören. Fragt man aber, inwiefern der Inhalt des Regulativs demselben den
Charakter eines Gesetzes oder einer Verordnung verleiht, so wird man sagen müssen,
daß zwar die Mehrzahl der Bestimmungen lediglich solche seien, welche rein in der
Sphäre der vollziehenden Gewalt liegen, daß aber doch die Einrichtung des
administrativen P. an sich einen großen Staatsgrundsatz, die Ausprägung einer
wahrhaften Staatsinstitution, enthalte. Und diese Auffassung scheint noch bestärkt
zu werden durch die Verf. Urk. Art. 98: „Die besonderen Rechtsverhältnisse der nicht
zum Richterstande gehörigen Staatsbeamten sollen durch ein Gesetz geregelt werden,
welches, ohne die Regierung in der Wahl der ausführenden Organe zweckwidrig zu
beschränken, den Staatsbeamten gegen willkürliche Entziehung von Amt und Ein-
kommen angemessenen Schutz gewährt.“ Es ist hier zwar verfassungsmäßig hin-
sichtlich des Inhalts des zu erlassenden Gesetzes festgestellt, daß dasselbe der Regierung
bei der Wahl der Beamten eine gewisse Freiheit der Bewegung geben solle, es ist
aber doch zugleich angenommen, daß auch die Auswahl der Beamten gesetzlicher
Regelung zu unterliegen habe. Es bedurfte demgemäß in der That einer gesetzlichen
Regulirung, wie solche durch das Gesetz, betreffend die Befähigung für den höheren
Verwaltungsdienst, vom 11. März 1879 erfolgt ist.
In Gemäßbeit dieses Gesetzes und des dazu erlassenen Regulativs des Staats-
ministeriums vom 9. Mai 1879 gilt gegenwärtig Folgendes:
Zur Erlangung der Befähigung für den höheren Verwaltungsdienst wird ein
mindestens dreijähriges Studium der Rechte und der Staatswissenschaften und die
Ablegung zweier Prüfungen erfordert. Das Studium hat sich insbesondere auch auf
Nationalökonomie und Finanzwissenschaft, ferner auf Staats= und Verwaltungsrecht