Object: Rechtslexikon. Dritter Band. Erste Hälfte. Pachmann - Stöckhardt. (2.3.1)

6 Papstwahl. 
so daß das Ceremoniale der P. überaus komplizirt wurde. — Für die Zeit vor 
Alexander III. steht trotz des Dunkels, das auf vielen Perioden jener früheren 
Zeit heute noch liegt, fest, daß der päpstliche Stuhl unter dem bestimmenden Ein- 
fluß des Staates besetzt wurde. In der ältesten Zeit wählten zwar nur Klerus 
und Volk den Bischof von Rom; seit Beginn der engen Verbindung zwischen 
der Kirche und dem Byzantinischen Reiche aber übten die Kaiser durch Abgesandte 
einen bestimmenden Einfluß auf die Papstwahl; ja entschieden wiederholt zwiespältige 
Wahlen von sich aus; ähnlich weiterhin die in Italien an Stelle der Kaiser 
getretenen Germanischen Heerführer und Könige, an deren Stelle dann wieder die 
Byzantinischen Kaiser traten. Nachdem dann der päßpstliche Stuhl längere Zeit der 
Spielball Römischer Adelsgeschlechter gewesen war, trat der Papst durch die Krönung 
Pippin's zum König der Franken (754) in enge Verbindung mit dem Frankenreiche. 
Das letztere setzte in kirchenstaatsrechtlicher Beziehung die Byzantinischen Traditionen 
fort; die Kirche ihrerseits stellte zunächst den Einfluß des Fränkischen Staates auf 
die Besetzung des päpstlichen Stuhles gar nicht in Frage. Seit 824 leistete der 
Papst vor Empfang der Konsekration kaiserlichen Gesandten einen Treueeid, wodurch 
juristisch der entscheidende Einfluß des Kaisers in signifikanter Weise ausgedrückt war. 
Jahrhunderte lang blieb dieses Rechtsverhältniß bei Bestand: sowol die Korruption 
in Rom als die Festigkeit der Fränkischen und Sächsischen Kaiser verhinderten jede 
Aenderung. Heinrich III. setzte drei Deutsche Päpste direkt ein kraft des ihm 
formell übertragenen Rechtes, den Papst nach Anhörung der Wünsche der Römer 
zu ernennen. Ein (noch nicht völlig aufgeklärter) Versuch Nicolaus' II., die Ord- 
nung der P. (Dekretale: In Nomine) festzustellen, hatte keinen dauernden Erfolg, 
scheint aber die erste Aeußerung der weiterhin immer stärker auftretenden päpstlichen 
Tendenz gewesen zu sein, die Freiheit der P. von kaiserlichem Einfluß gesetzlich fest- 
zustellen. " « 
Erst Alexander III. gelang es, aus den inzwischen in der Kirche zur Herr- 
schaft gelangten pfeudoisidorischen Prinzipien die Konsequenzen für die P. endgültig 
zu ziehen. Seit Gregor VII. hatte die Kirche allen weltlichen Einfluß auf ihre 
Dinge abzuschütteln gestrebt; Alexander III. erhob diesen Gedanken bezüglich der 
P. zum formellen Recht und gab zugleich eine festbestimmte Ordnung der Wahl, 
welche den nicht selten höchst bedenklichen Vorkommnissen bei früheren Wahlen ein 
Ende machen sollte. Die Dekretale Licet de vitanda bestimmt: wenn bei der 
Wahl Stimmeneinheit unter den Kardinälen nicht erzielt werden 
kann, dann ist derjenige alsrechtsgültig gewählt zu betrachten, 
auf den zwei Drittel der Wahlstimmen sich vereinigt haben. Wer 
sich in Mißachtung dieser Vorschrift die päpstliche Würde anmaßt, ist den schwersten 
kirchlichen Censuren verfallen. Durch diese Konstitution wurde einmal der Wahl- 
körper fest abgegrenzt, sodann der weltliche Einfluß beseitigt. Das 
wahlberechtigte Kollegium sind nur die Kardinäle: erst 769 waren die Laien von 
der Wahl ausgeschlossen worden, seit Alexander III. erfolgte dieser Ausschluß auch 
für den Römischen Klerus mit Ausnahme der geringen Zahl der Kardinäle. 
Das Kollegium der Kardinäle hat sich entwickelt aus den Presbytern 
der Christengemeinde zu Rom: aus den Presbytern, die in der älteren Zeit dem 
Bischof, wurden die Kardinäle, die dem Papst zur Seite standen. Die Kardinäle 
bilden seitdem den berathenden Senat des Papstes im kirchlichen Regimente des 
Erdkreises. Die historische Entwickelung des Kardinalates liegt noch sehr im 
Dunkeln: frühzeitig (im 12. Jahrhundert) läßt sich jedoch schon die heute noch 
bestehende dreifache Gliederung in Kardinalbischöfe, Kardinalpriester und 
Kardinaldiakone nachweisen. Die Diakonen waren mit der Armenpflege be- 
traut, die Priester hatten den Gottesdienst an den Hauptkirchen Roms zu versehen, 
die Bischöfe bildeten den Episkopat der Römischen Metropolitanprovinz. Erst seit 
1576 wurde der Kardinalat auf Römische Priester beschränkt. Die heutige
	        
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