Rechtsanwaltschaft. 271
XXII. S. 288). Sofern der Beklagte diese Umgestaltung zum Rechnungsprozeß
nicht vornimmt, erstreitet zwar Kläger den einzelnen Posten, es bleibt aber die
Abwickelung des ganzen Geschäfts unerledigt und kann später der Beklagte mit seinen
Gegenforderungen noch auftreten.
Ferner kann der Rechnungsherr selbst die Rechnung aufmachen, sein Guthaben
danach berechnen und Beklagten dadurch zur Geltendmachung seiner Gegenforderungen
zwingen. Ist der Rechnungsherr in dieser Weise zur Abwickelung zu gelangen nicht im
Stande, so bleibt nur übrig, sich des Mittels der Klage auf R. zu bedienen, wobei
dann präjudiziell zu erörtern ist, ob unter den Parteien ein solches Verhältniß besteht,
bei dem der Beklagte angehalten werden kann im Wege der R. die Erfüllung seiner
Verpflichtung nachzuweisen. Ist ein vollstreckbares Urtheil auf R. erstritten, so wird
der Beklagte nach § 774 der CPO. durch Geldstrafe oder Haft zur Erfüllung an-
gehalten werden können, soweit die R. „ausschließlich von seinem Willen abhängt",
worüber er nach § 776 a. a. O. zu hören ist. Wieweit die Möglichkeit der Aus-
kunftsertheilung reicht (Bähr, a. a. O. S. 270), ist Frage im Einzelnen; selbst
wenn der Rechnungepflichtige sich selbst außer Stande gesetzt hat zur R., muß der
Zwang wegfallen. Vorher ist es jedoch zulässig, den Rechnungspflichtigen durch
Abzwingung des Offenbarungseides (Einf. Ges. zur CPO. § 16 Nr. 3) anzuhalten,
daß er, soweit im Stande, offenlege (Dernburg, a. a. O. S. 108). Schließlich
muß die unterbliebene R. in einem Schadensersatz seine Erledigung finden, wobei
auch ein Schätzungseid nicht ausgeschlossen ist.
Erfolgt die R., so ist im Einzelnen zu untersuchen, ob dieselbe als eine voll-
ständige erachtet werden kann, wobei der Offenbarungseid für die Vervollständigung
der Aktivseite verwendbar ist, so daß der Rechnungsteller im eigenen Interesse zur
Klarstellung der Ausgabeposten angehalten wird (Bähr, a. a. O. S. 273). Das
bereits oben erwähnte Verfahren in Rechnungssachen nach §§ 313 ff. der CPO.
findet seinen Abschluß dahin, daß der Rechnungssteller zu bestimmten erledigenden
Leistungen, der Regel nach Zahlung, verurtheilt wird, wogegen auf eine Widerklage
auch der Rechnungsherr seinerseits zu Erfüllung seiner Verpflichtungen verurtheilt
werden kann.
Eine im Voraus bestimmte Befreiung von der Rechnungslegung (vertragsmäßig
oder testamentarisch) ist, sofern nicht ausdrückliche Gesetze entgegenstehen, zulässig,
ohne daß jedoch Betrug oder Unterschlagung damit gedeckt werden könnte. Die er-
wiesene Treulosigkeil beseitigt den Erlaß der R., welche auf die Voraussetzung der
Gewissenhaftigkeit beruhte.
Die Preuß. Vormundschaftsordn. vom 5. Juli 1875 § 68 läßt eine Befreiung
des Vormundes von Legung der Schlußrechnung nicht zu; es liegt hierin der Aus-
druck, daß die Verwaltung des Vormundes und seine Stellung nicht eine lediglich
privatrechtliche ist (ogl. Dernburg, Vormundschaftsrecht, S. 239; Hesse, Vor-
mundschaftsordnung, S. 191, 225).
Aus dem Zeitablauf endlich bei Fortsetzung des Verhältnisses kann auf Erlaß
der R. eine thatsächliche Folgerung entspringen (Allg. Preuß. LR. Th. I. Tit. 14
§ 158; vgl. Pl. Beschluß des Preuß. O. Trib. Bd. XL. S. 1); ebensowie aus dem
Stillschweigen gegen die ganze R., ähnlich wie beim Kontokurrent eine Rechnungs-
abnahme sich ergeben kann.
Lit.: Bähr, Ueber die Verpflichtung zur R., im Jahrb. für Dogmatik des heutigen Röm.
und Deutschen Privatrechts von Ihering u. A. XIII. 250—297. — Dernburg, Preuß.
Privatrecht, Bd. II., 2. Aufl., § 44. Keyßner.
Rechtsanwaltschaft. I1. Historisches. Für den Römischen Prozeß der
älteren und klassischen Zeit sind die Prokuratur, die Befugniß für und statt einer
Partei vor Gericht aufzutreten, und die Stellung als advocatus, patronus oder
orator, welcher der Partei bei ihrem Erscheinen vor Gericht blos mit seinem