Rechtshülfe. 279
übrigens, daß sich der Umsang derjenigen Handlungen, bei welcher die Leistung der
R. nothwendig ist, durch die Einführung des Prozeßbetriebes der Parteien bei Zu-
stellungen, Ladungen und Zwangsvollstreckungen, sowie des Institutes der Gerichts-
vollzieher gegen früher wesentlich verengert hat. Bei der einheitlichen Regelung des
Verfahrens in den betreffenden Beziehungen und dem die Reichsjustiggesetzgebung
beherrschenden Grundsatz, daß die Gerichtsgewalt jedes Deutschen Gerichtes sich auf
alle im Deutschen Reich befindlichen Personen ohne Rücksicht auf den Bundesstaat,
dem sie angehören oder in welchem sie sich befinden, erstreckt, bedarf es nur des
Angehens des betreffenden Gerichtsvollziehers bzw. Gerichtsschreibers, und dieser hat
die erforderliche Handlung nach Maßgabe der Prozeßordnungen vorzunehmen, ohne
Rücksicht darauf, ob das Prozeßgericht einem anderen Bundesstaat angehört. b) Für
die nicht unter a erwähnten Angelegenheiten regelt sich die Gewährung der R.
zwischen Deutschen ordentlichen Gerichten, ferner zwischen Deutschen Sondergerichten
sowie zwischen den Deutschen Staatsanwaltschaften (mit den unter a erwähnten Aus-
nahmen) und endlich zwischen Deutschen Staatsanwaltschaften und Deutschen Gerichten
nach dem Gesetz des Norddeutschen Bundes vom 21. Juni 1869, betr. die Gewäh-
rung der R., welches auch in Baden und Südhessen durch den Art. 80 der RVerf.
vom 15. Nov. 1870, in Württemberg nach Art. 2, Nr. 6 des Vertrages vom
25. Nov. 1870, in Bayern durch § 6 des Ges. vom 22. April 1871, und in
Elsaß-Lothringen durch das Ges. vom 11. Dez. 1871 eingeführt worden ist. Das-
selbe bezieht sich allerdings nur auf die R. in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten und
Strafsachen, dagegen nicht auf Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit und
der Justizuerwaltung. Es hat den Gedanken, daß die Deutschen Gerichte sich gegen-
seitig R. zu gewähren verpflichtet sind, wie wenn sie Gerichte ein und desselben
Staates wären, soweit dies seiner Zeit bei der Verschiedenheit der Justizorganisation,
des Prozeßverfahrens und des Strafrechtes möglich war, schon damals praktisch ver-
wirklicht.. Neben demselben sind endlich die Vorschriften der zwischen den einzelnen
Bundesstaaten in Betreff der R. geschlossenen Verträge insoweit in Geltung geblieben
und haben dieselbe auch noch heute, abgesehen von dem unter a bezeichneten Gebiete,
insoweit behalten, als diese Bestimmungen mit dem Bundesgesetze nicht im Wider-
spruch stehen.
II. In Betreff der Gewährung der R. an ausländische Justizbehörden enthält
nur die Deutsche CPO. Vorschriften über die Zwangsvollstreckung aus Urtheilen
ausländischer Gerichte. Eine solche kann nicht anders stattfinden, als wenn ihre
Zulässigkeit durch ein Vollstreckungsurtheil eines Deutschen Gerichtes ausgesprochen
worden ist. Zur Erwirkung desselben hat der Exekutionssucher Klage gegen den
Verurtheilten beim Gericht des allgemeinen Gerichtsstandes des letzteren, eventuell dem
des belegenen Vermögens zu erheben. Eine Prüfung der Gesetzmäßigkeit der Ent-
scheidung steht bem inländischen Gericht nicht zu. Dagegen ist der Erlaß des Voll-
streckungsurtheiles abzulehnen: 1) wenn die Gegenseitigkeit seitens des Staates,
welchem das ausländische Gericht angehört, nicht verbürgt ist, 2) wenn das aus-
ländische Urtheil nach dem fremden Recht noch nicht die Rechtskraft beschritten hat,
3) wenn auf Grund des Urtheils eine Handlung erzwungen werden soll, welche
nach dem Recht des erkennenden Deutschen Richters nicht erzwungen werden darf,
4) wenn nach dem Rechte des letzteren die Zuständigkeit keines der Gerichte des
fremden Staates, welchem das ausländische Gericht angehört, (nach anderer Aus-
legung: die des ausländischen Gerichtes, welches das in Frage stehende Urtheil er-
lassen hat, nicht) begründet war, 5) wenn das ausländische Urtheil gegen einen
Deutschen, ohne daß sich dieser auf den Prozeß eingelassen hat, ergangen und die
den letzteren einleitende Ladung oder Verfügung ihm weder im Staate des aus-
ländischen Prozeßgerichts in Person noch durch Gewährung der R. im Deutschen
Reich zugestellt ist. Im Uebrigen entscheiden die mit den ausländischen Staaten ab-
geschlossenen Verträge. Soweit solche nicht vorhanden sind, besteht eine verbreitete