Full text: Rechtslexikon. Dritter Band. Erste Hälfte. Pachmann - Stöckhardt. (2.3.1)

280 Rechtskraft. 
völkerrechtliche Praxis, daß die Justizbehörden unter Voraussetzung der Gegenseitig- 
keit den Ersuchen fremder Gerichte genügen, sofern die Handlung formell statthaft 
ist, und in der Zuständigkeit der ersuchenden Behörde liegt. S. übrigens auch den 
Art. Auslieferungsverträge. 
Gsgb.: Deutsches G. §s§s 157 ff. — Deutsche CPO. §§ 660, 661. — Norddeutsches 
Bundesgesetz vom 21. Juni 1869. 
Lit.: v. Bar, Das internationale Privat= und Strafrecht, S. 456, 463. — Heffter, 
Völkerrecht, §§ 35 ff. — Endemann, Die Rechtshülfe im Norddeutschen Bunde, in der Zeit- 
schrift für Gesetzgebung und Nechtsflege in Preußen, Bd. III. (1869) S. 398, 605 (auch im 
Separatabdruck erschienen). — Wach, Vorträge über die RpO., Bonn 1 fi 4 
Hinschius. 
Rechtskraft (civilrechtlich). Mit Rücksicht auf das Verfahren spricht man 
von sog. formeller R., wenn kein Mittel mehr vorhanden ist, um ein vom 
Richter gesprochenes Urtheil (Decisivdekret) anzufechten. Wann dies der Fall ist, ist 
nach den verschiedenen Prozeßgesetzen verschieden (vgl. darüber Th. I. S. 634), die 
CPO. bestimmt in § 645, daß die R. vor Ablauf der für die Einlegung des zu- 
lässigen Rechtsmittels oder bei Versäumnißurtheilen des zulässigen Einspruches be- 
stimmten Frist nicht eintreten solle. Die frühere Eintheilung, wonach nur diejenigen 
Endurtheile rechtskräftig sind, welche mit einem ordentlichen, d. h. mit einem an eine 
Nothfrist gebundenen, Rechtsmittel nicht mehr angefochten werden können (vgl. E. 
zur CPO. F 19), ist nach der CPO. aufgegeben, weil diese außerordentliche Rechtsmittel 
nicht kennt und an Stelle derselben die Wiederaufnahme des Verfahrens im Wege 
der Klage gesetzt hat (§ 541; vgl. jedoch Bolgiano, Civ.Prz., I. S. 360, und im 
Arch. f. civ. Praxis Bd. LIX. S. 420, gegen ihn Hinschius in der Ztschr. für 
d. Civ. Prz. I. S. 1 ff.). Selbstverständlich kann auch ausdrücklich oder stillschweigend 
durch Verzicht auf das Rechtsmittel die R. herbeigeführt werden (CPO. 8§§ 475, 
529). Die R. macht das Urtheil zu einer „sententia indubitata, quae nullo remedio 
attentari potest (Il. 23 § 1 D. 12, 6), sie bewirkt eine Fiktion der Wahrheit, un- 
abänderliches formelles Recht und äußert die erheblichsten Wirkungen auf das unter 
den Parteien bestehende Rechtsverhältniß. Diese Wirkungen bilden den Begriff der 
sog. materiellen R. — Der Umfang der R., ob ihr nur die eigentliche richter- 
liche Entscheidung oder auch das dieser zu Grunde liegende Material (Tenor oder 
auch Urtheilsgründe) unterworfen sei, ist außerordentlich bestritten. Für die gem. 
Theorie nahm Savigny (System VI. 350—370, 429—443, 451, 452) an, 
daß auch die in den Gründen enthaltenen Elemente des Urtheils (sog. objektive 
Entscheidungsgründe), d. h. diejenigen Bestandtheile der Gründe, welche Entscheidungen 
enthalten, in R. erwachsen; rechtskräftig würden demgemäß auch die Entscheidungen 
werden, welche über die den Anspruch des Klägers oder Beklagten bedingenden Rechte 
(Präjudizialpunkte) ergehen. Diese Ansicht vermeidet zwar, was schon das Römische 
Recht in 1. 6 D. 44, 2 hat vermeiden wollen: den möglichen Widerspruch zweier 
Urtheile über dasselbe Rechtsverhältniß, allein sie geht über den Willen der Parteien 
hinaus, welche in ihren Anträgen der richterlichen Entscheidung eine Grenze gezogen 
haben und nur innerhalb dieser einen Spruch verlangen. Unger (Oesterr. Privat- 
recht, II. S. 615 ff.) und Wetzell (Civ. Prz., S. 518 ff.) schränken die Sa- 
vignyr''sche Ansicht ein, sie lassen die R. des Urtheils nur so weit reichen, als der 
Inhalt desselben reicht und beziehen dieselbe nur auf den konkreten Klageanspruch. 
Noch Andere (Buchka, Die Lehre vom Einfluß des Prozesses, I. S. 311; Förster, 
Preuß. Privatrecht, 1I. 263) fixiren die Rechte auf das, was der Richter entschieden 
hat, weil er es entscheiden mußte. Einig ist man nur darüber, daß es nicht 
darauf ankommt, an welchem Ort der Ausspruch des Richters stehe, sowie daß die 
historischen und deduktivischen Bestandtheile des Urtheils von der R. ausgeschlossen 
sind. Die gem. Praxis schwankt (vgl. Gruchot, Beitr., Bd. VII. S. 175 ff.), 
neigt sich jedoch zum großen Theil der Savignyf’schen Ansicht zu. (Ueber das
	        
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