Rechtskraft. 281
ROG. s. Seuffert, Arch. XXV. Nr. 278, Erk. v. 31. März 1871.) — Nach
Preuß. Allg. Gerichtsordn. ist zwar bestimmt (I. 13 § 38), daß „bloße Ent-
scheidungsgründe niemals die Kraft eines Urtheils haben sollen“, und dem ent-
sprechend hat das Preuß. OTrib. besonders in dem Erkenntniß vom 16. Okt. 1848
(Entsch. Bd. XVII. S. 462) in den Gründen nur ein Auslegungemittel des allein
rechtskräftig werdenden Tenor gesehen, die Theorie des Preuß. Rechts dagegen hat
die R. in dem weiteren Sinne des gem. Rechts aufgefaßt (Förster a. a. O., bef.
S. 264; Dernburg, Lehrbuch des Preuß. Rechts, I. S. 267—272). — Die
Französische Theorie und Praxis hält zwar daran fest, daß Alles, was rechts-
kräftig werden solle, auch in dem Tenor, sog. dispositik, stehen müsse, diese aber ist
durch den Gegenstand und den Umfang der „conclusions formelles prises par les
parties“ bestimmt, so daß auch präjudizielle Punkte der R. fähig sind (Aubry et
Rau, Cours de droit civ., VI. p. 489 ss.). — Die Deutsche CPO Hschließt sich,
wie in den Motiven S. 291 ausdrücklich hervorgehoben ist, an die für das Gem.
Recht von Unger und Wetzell und für das Preuß. Recht von dem früheren
Berliner OTrib. aufgestellte Ansicht an. Nach § 293 sind Urtheile der R. nur
soweit fähig, als über den durch Klage oder Widerklage erhobenen Anspruch ent-
schieden ist (vgl. auch § 292). Es ist jedoch nach richtiger Meinung nicht
erforderlich, daß dies gerade im sog. Tenor geschieht, sondern es können auch Ent-
scheidungen über Einreden und Repliken in den Urtheilsgründen vorkommen. Hin-
sichtlich der Kompensationseinrede ist in § 293 Abs. 2 die Bestimmung getroffen,
daß die Entscheidung über die Existenz der Gegenforderung nur bis zur Höhe des-
jenigen Betrages, mit welchem aufgerechnet werden foll, der R. fähig ist. In R.
geht also nur dasjenige über, worüber entschieden ist, Gründe werden niemals
rechtskräftig (vgl. auch § 695). Dagegen nähert sich die CP O. insofern der Sa-
vigny'schen Theorie, als sie auch eine R. der sog. Elemente des Urtheils, der
Präjudizialpunkte, eintreten läßt (§ 231), mit dem Unterschied jedoch, daß dies nicht
schon aus dem Gesetze selbst folgt, sondern von einem ausdrücklich darauf gerichteten
Antrag der Parteien abhängig gemacht wird (§ 253).
Wirkungen der R. Das ältere Römische Recht legte nicht schon dem Ur-
theil, sondern sogar der Litiskontestation konsumirende Wirkung bei und verhinderte,
daß eine bereits erhobene Klage nochmals vor den Richter gebracht würde (vgl. den
Art. Konsumtion). Herbeigeführt wurde diese Konsumtion durch die exceptio rei
judicatae (sog. negative Funktion). Später aber sah man ein, daß diese Einrede
nur dem Beklagten zu Gute komme und daß es Fälle gäbe, wo der Kläger zur
Aufrechterhaltung des Urtheils genöthigt werde, auf seinen früheren Anspruch zurück-
zukommen. Hier gewährte man ihm gegen die exceptio rei judicatae des Beklagten eine
replicatio rei secundum se judicatae (I1. 9 § 1 D. 44, 2; 1. 16 § 5 D. 20, 1).
Endlich mußte der Kläger dagegen geschützt werden, daß nicht der Beklagte gegen
ihn einen Anspruch geltend machte, der ihm bereits durch rechtskräftige Verurtheilung
zuerkannt war, z. B. wenn der im Vindikationsprozesse unterlegene Beklagte nun-
mehr die restituirte Sache selbst mit der Viodikation zurückforderte. Auch hier wird
das erste Urtheil durch die dem Kläger gegebene exc. rei jad. aufrecht erhalten —
sog. positive Funktion — (I. 40 § 2 D. 3, 3; I.I. 15, 19, 30 § 1 D. 44, 2). So
trat neben die Konsumtion bald eine neue Auffassung der exc. rei jud. zur Auf-
rechterhaltung des Urtheils, und es bildete sich die Theorie der R. im engeren
Sinne weiter aus, welche man auch bei Präjudizialentscheidungen, die weder Ver-
urtheilung noch Freisprechung enthielten, anerkannte. Hinsichtlich des Beklagten hatte
aber die exc. rei jud. jetzt gemäß der in 1. 57 D. 50, 17 ausgesprochenen Regel
die Bedeutung, daß er mit ihr den Kläger zurückwies, der ihn mit der nämlichen
Klage belangte. Insofern hat auch heute noch das Urtheil konsumirende Wirkung
(Unger, II. S. 682—685; Buchka, II. S. 211 u. A.). Mit Unrecht wird dies
von v. Savigny, v. Wächter, Keller, Windscheid für das heutige Recht ge-