Full text: Rechtslexikon. Dritter Band. Erste Hälfte. Pachmann - Stöckhardt. (2.3.1)

Rechtskraft. 287 
lichen Verhältnissen, von welchen die Zuständigkeit des Gerichtes oder die Anwend- 
barkeit des inländischen Strafgesetzes abhängt. Noch viel weniger sind Feststellungen 
derselben Thatsache (z. B. eines Alibi, die Herstellung des Beweises der Wahrheit 
in einem Beleidigungsprozeß) in einem anderen Strafprozeß maßgebend. Die frühere 
Entscheidung kommt also nur insoweit in Betracht, als sie über eine bestimmte An- 
klage entschieden hat und mit dieser diejenige, welche neuerdings vorgebracht wird, 
identisch ist. Die Entscheidung der Frage, ob diese Identität vorhanden sei, wird 
dadurch erschwert, daß dasselbe (einfache) materielle Faktum durch Heranziehung 
bisher unberührter und Ausscheidung bisher berücksichtigter Thatmomente eine neue 
Gestalt annehmen kann, daß theilbare Fakta isolirt und in neue Verbindungen 
gebracht werden können, daß Thatmomente, die bei der einen Anklage als Neben- 
umstände anzusehen waren, zur Erhebung einer neuen Anklage Anlaß geben können 
(z. B. Entwendung der bei einem Mordanfall gebrauchten Waffe, Verletzung eines 
Bannverbotes u. dgl.). Die hieraus entstehenden Fragen sind vom Standpunkte 
des materiellen Rechts und zunächst der Konkurrenztheorie allein gar nicht zu ent- 
scheiden. Maßgebend ist vielmehr der prozessuale Gesichtspunkt. Wenn bei der ersten 
Verhandlung eine Erweiterung oder Modifikation der Anklage möglich war in dem 
Sinne, daß die neu formulirte Anklage schon damals hätte zur Geltung gebracht 
werden, d. h. daß ihr nicht der Einwand hätte entgegengesetzt werden können, das 
sei ein vollständiges Abweichen von dem durch die Anklage bezeichneten Gegenstand 
der Verhandlung, dann steht der neuen Anklage der Einwand der R. entgegen, 
sofern nicht das Gesetz den Vorbehalt anderweitiger Verfolgung in gewissen Fällen 
zuläßt und dieser Vorbehalt ausdrücklich gemacht wurde. Je strenger ein Gesetz 
Modifikationen der Anklage verhindert, desto leichter wird daher eine neue Anklage 
mit verändertem Gesichtspunkte erhoben werden können. — Die Forderung der 
Identität beschränkt sich aber nicht auf den Gegenstand; es muß sich auch um die- 
selben Personen handeln. Hier wird allerdings für die Mehrzahl der Fälle die 
Sache dadurch vereinfacht, daß der Träger der öffentlichen Anklage stets der Staat 
ist. Bezüglich der anderen Partei, des Angeklagten, wird daran nicht gezweifelt, 
daß kein Angeklagter das gegen einen Andern ergangene Urtheil gegen sich gelten zu 
lassen brauche; wol aber wird mitunter (unseres Erachtens mit Unrecht) behauptet, 
daß der wegen Theilnahme Angeklagte die R. des im Prozeß gegen einen der 
Thäterschaft Angeklagten ergangenen, das Faktum selbst negirenden Urtheils anrufen 
könne. — Besonderer und sehr eingehender Erörterungen bedarf die Frage nach der 
R. der Endentscheidungen über Gegenstände der Privatanklage. Wenn durch eine 
solche Entscheidung lediglich ausgesprochen wird, daß die Verfolgung oder Ver- 
urtheilung unzulässig sei, weil die erforderliche Privatanklage fehle (weil der als An- 
kläger aufgetretene Private zur Anklage nicht berechtigt sei, in Oesterreich könnte 
auch eine öffentliche Anklage zurückgewiesen werden, weil die Handlung nur 
Gegenstand der Privatanklage sei): so liegt hierin kein Hinderniß der Erhebung der 
Privatanklage durch eine andere Person wegen derselben Handlung. Im Uebrigen 
aber ändert die Zulässigkeit einer Privatanklage nichts an dem Grundsatz, daß das 
ergangene rechtskräftige Urtheil dessen Gegenstand nach allen seinen Seiten erledigt. 
Es wird also auch hier die Frage der Jdentität des Gegenstandes entscheidend 
sein, und wesentlich vom Standpunkt des materiellen Rechtes beurtheilt werden 
müssen, ob nämlich neben dem Gegenstande der durch Urtheil erledigten Anklage 
noch eine oder mehrere Handlungen übrig bleiben, welche Gegenstand öffentlicher oder 
Privatanklage sein können. 
Was das gegenseitige Verhältniß von Civil= und Kriminalurtheil betrifft, so stimmen 
die Deutsche (§ 267) und die Oesterreichische (§ 5) StrasP O. darin überein, 
daß das Civilurtheil für den Strafrichter nicht bindend, letzterem aber gestattet ist, 
dasselbe zu berücksichtigen; bezüglich der über die Gültigkeit der Ehe ergehenden Er- 
kenntnisse macht das Oesterreichische Gesetz eine Ausnahme, die in das Deutsche
	        
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