Full text: Rechtslexikon. Dritter Band. Erste Hälfte. Pachmann - Stöckhardt. (2.3.1)

288 Rechtskraft. 
Gesetz nicht überging. Selbstverständlich ist das Civilurtheil maßgebend, wenn eine 
bestimmte eivilrichterliche Entscheidung Vorbedingung der strafgerichtlichen Verfolgung 
und Bestrafung ist (§§ 170, 172 und 238 der Strafßt O.; vgl. Löwe, S. 472). 
Was umgekehrt die Berücksichtigung des Kriminalurtheils im Civ.Prz. betrifft, so 
sind im § 14 3. 1 des E. zur Deutschen CPO. die landesgesetzlichen Bestimmungen 
über die bindende Kraft des strafgerichtlichen Urtheils für den Civilrichter (nach viel- 
fachen Kämpfen und Erörterungen, als mit dem Prinzip der freien Beweiswürdigung 
unvereinbar) außer Kraft gesetzt worden; doch wird es wol als in der Natur der 
Sache liegend erkannt werden müssen, daß das Strafurtheil da maßgebend bleibt, 
wo es nicht blos auf den Beweis einer den Thatbestand eines Deliktes involvirenden 
Handlung ankommt, sondern geradezu darauf, daß ein Delikt begangen sei (vgl. 
§ 543, Z. 2—5 der Deutschen CPO.). Nach § 140 der Deutschen CPO. kann 
übrigens der Civilrichter die Verhandlung bis zur Erledigung des Strafverfahrens 
aussetzen, wenn sich im Verlaufe eines Rechtsstreites der Verdacht einer strafbaren 
Handlung ergiebt, deren Ermittelung auf die Entscheidung Einfluß üben kann 
(vgl. auch § 543 Z. 6). — In Oesterreich hat ein Hofdekret vom 6. März 1821 
ausgesprochen, „daß Rechtsangelegenheiten, deren Entscheidung von dem Beweise und 
der Zurechnung eines Verbrechens abhängt, vor erfolgtem Urtheil des Kriminalrichters 
bei dem Civilgerichte nicht angebracht werden können“, und angeordnet, daß, 
wenn sich im Laufe des Civilprozesses zeigt, daß der Erfolg einer Strafuntersuchung 
„auf die Entscheidung der Streitsache einen wesentlichen Einfluß haben könnte“, mit 
dem Civilprozeß innezuhalten und „das Erkenntniß des Strafgerichtes abgewartet" 
werden solle. 
Die Regel über die R. des Strafurtheils ist sehr erheblichen Einschränkungen 
unterworfen. Zunächst unterliegt es wol nirgend Bedenken, einfache Schreibfehler 
trotz eingetretener formeller R. zu berichtigen. Im Gegensatz zu diesen geringsten 
Versehen lassen sich Fälle in die Augen springender gröblicher Mißgriffe denken, die 
wol fast immer auf absolute Inkompetenz der Gerichte überhaupt, der Gerichte 
eines bestimmten Landes oder eines bestimmten Gerichtes oder auf irgend einen gröb- 
lichen Mißbrauch der Formen des Verfahrens zurückzuführen sein werden. (Man 
denke z. B. ein Gericht unterster Ordnung, das ein Todesurtheil fällt, ein Gericht, 
das ein Kind im engsten Sinne des Wortes, einen Wahnsinnigen, oder ein anderes, 
das einen Exterritorialen vor seine Schranken zieht.) Für so außerordentliche Fälle 
sorgt kaum je ein Gesetz, und es ist auch sonst schwer, mehr darüber zu sagen, als 
daß im gegebenen Falle eine Abhülfe beschafft werden muß. — Eine andere tief 
eingreifende Alterirung der R. kann durch die Kollision der Gesetze, und zwar 
sowol durch die örtliche wie durch die zeitliche, herbeigeführt werden. Kein Staat 
vollzieht auswärtige Strafurtheile, daraus muß aber noch nicht folgen, daß ihnen 
jede R. abzusprechen sei; namentlich zu Gunsten des Angeklagten sollte das fremde 
Urtheil anerkannt werden, soweit im gegebenen Falle hierin nicht eine Verzichtleistung 
auf die Geltung der eigenen Gesetze auf dem ihnen gebührenden Gebiete läge. — 
Wenn das materielle Strafgesetz eines Landes geändert wird, so liegt darin an sich 
kein Grund, alle ergangenen und noch nicht vollzogenen Strafurtheile zu revidiren; 
es kann dies aber aus Gründen der Billigkeit bei wesentlicher Milderung der Straf- 
gesetzgebung angeordnet werden und es kann durch die Gerechtigkeit geboten sein, 
wenn die neue Gesetzgebung den Gedanken der Verwerflichkeit bestimmter Strafarten 
zum Ausdruck bringt. Geschieht sodann die Umwandlung der Strafe auch im 
Interesse des Verurtheilten, so wird immerhin doch der formelle Schutz, den die R. 
des Urtheils ihm gewährt, dabei theilweise entfallen. — Ebenso kann die Noth- 
wendigkeit der Verhängung einer Gesammtstrafe die R. der ergangenen Einzel- 
urtheile beeinträchtigen. — Ein weiterer Grund der Beseitigung der eingetretenen R. 
des Strafurtheils liegt in der Wiedereinsetzung gegen die schuldlos versäumte 
Frist zur Ergreifung eines Rechtsmittels (Deutsche Straf#P O. § 44; Oesterreichische
	        
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