Full text: Rechtslexikon. Dritter Band. Erste Hälfte. Pachmann - Stöckhardt. (2.3.1)

292 Rechtsmittel. 
gestellt, entweder dem Gemeinen Rechte folgend die Berufung so anzulegen, daß der 
Oberrichter lediglich zu beurtheilen hätte, ob der Unterrichter das ihm von den 
Parteien vorgelegte Material richtig geprüft habe, daß also das Nachbringen neuen 
Materials in der Berufungsinstanz ausgeschlossen oder doch nur als beneficium (non- 
dum deducta deducendi et nondum probata probandi) unter dem Gesichtspunkt 
einer Restitution erlaubt wäre (Wetzell, System, § 56 zu Note 72 ff.); oder dem 
Römischen Rechte folgend in der Berufung gewissermaßen eine Wiederholung des 
ganzen Rechtsstreites mit prinzipiell unbeschränktem Novenrecht zuzulassen — im 
Hinblick auf die Mündlichkeit des Verfahrens (Motive l. c. § 12) und auf das 
materielle Recht (Sellweg, Arch. LXI. S. 132; cf. 1. 6 § 1 C. de appell. 7, 
62) für die letztere Konstruktion entschieden. So verleiht die Berufung „wenn nicht 
actu so doch potentia“ (v. Kries, S. 150) ein „neues Judicium“, wie die Motive 
1. c. sich ausdrücken. — Hatte nun endlich schon das Gemeine Recht neben der 
Appellation und ihren Surrogaten noch die Aufstellung einer querela simplex, eines 
„nur uneigentlich sogenannten R.“ (Wetzell, System, § 61 nach Note 2) für 
nöthig gehalten, so liegt der nämliche Gedanke auch der Beschwerde ((. diesen 
Art.) der RéPO. zu Grunde. Sie soll, da Berufung und Revision nur gegen 
Endurtheile zulässig sind (§§ 472, 507), Schutz gewähren nicht nur gegen Zwischen- 
urtheile und insofern zum Ersatz der gemeinrechtlichen Zwischenappellation dienen 
(Wach, Vortr., S. 181); sondern auch gegen verletzende Beschlüsse und Verfügungen 
den Parteien und Dritten zustehen. Sie soll in diesen Funktionen zugleich „durch 
Ausscheiden nebensächlicher Streitpunkte den Stoff des Rechtsstreites für die übrigen 
R. vereinfachen“ (Motive zu §§ 506 ff. Einl. S. 526; CPO. 8§ 473, 510; vgl. 
auch die veranschaulichende Tabelle bei v. Kries, S. 379). Von selbst ergiebt sich 
hieraus, daß die Beschwerde einerseits, Berufung und Revision andererseits einander 
ausschließen müssen. 
III. Die bisherige Doktrin stellte folgende Eintheilungen der R. (im Sinne des 
Gemeinen Prozesses) auf: 1) In solche mit oder ohne Suspensiveffekt, je nachdem die 
Einlegung des R. die Wirksamkeit der angefochtenen Entscheidung aufhält oder nicht. 
Das Gemeine Recht attribuirte den Suspensiveffekt der Appellation und der Restitution; 
versagte ihn dagegen der einfachen Beschwerde und der querela nullitatis (insana- 
bilis). Die RPO. anerkennt als ipso jure aufschiebend nur die Berufung und die 
Revision (§§ 644, 645), dagegen nicht die Beschwerde (§ 535 Abs. 1). Jedoch ist 
diese Regel nach beiden Seiten durchbrochen; es cessirt der Suspensiveffekt der Be- 
rufung und der Revision in den Fällen der vorläufigen Vollstreckbarkeit des Urtheils 
(88 648 ff.); die Versagung des Suspensiveffektes der Beschwerde gegenüber gemäß 
§ 535 Abs. 1 cit. in allen Fällen, wo aus der sofortigen Vollstreckung der Ent- 
scheidung ein unwiderbringlicher Nachtheil erwachsen würde. Ueberdies ist es dem 
diskretionären Ermessen des Richters überlassen, auch in anderen Fällen die Aus- 
setzung der Vollziehung der mit Beschwerde anfechtbaren Entscheidung anzuordnen 
(5 535, Abs. 2). Von den uneigentlichen R. der CP O. (hier nur der Kürze wegen 
so genannt) hat den Suspensiveffekt lediglich der Einspruch (§ 645). 2) In folche 
mit oder ohne Devolutiveffekt, je nachdem das R. die Sache an den höheren Richter 
bringt oder blos nochmalige Prüfung und Entscheidung bei einem Richter gleicher 
Instanz bewirkt. Von den gemeinrechtlichen R. waren devolutiv die Appellation 
und die einfache Beschwerde; nicht devolutiv die Revision und die Restitution; 
während die Nichtigkeitsbeschwerde nach Wahl des Imploranten beim höheren oder 
niederen Richter durchgeführt werden konnte. Ist hiernach schon für das Gemeine 
Recht diese Eintheilung mit Recht als eine nicht durchgreifende bezeichnet worden 
(Renaud, Lehrb., § 172 zu Note 4), so mußte sie der RoO. gegenüber für die 
R. im technischen Sinne von vornherein wegfallen, da dieselben schon begriffsmäßig — 
die Beschwerde wenigstens, insoweit sie wirklich R. ist und nicht blos die Funktion 
einer Gegenvorstellung verfieht (§ 534) — die Devolution an eine höhere Instanz
	        
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