Full text: Rechtslexikon. Dritter Band. Erste Hälfte. Pachmann - Stöckhardt. (2.3.1)

294 Rechtomittel. 
neuen Prozesses beherrscht: von der Mündlichkeit, der Einheitlichkeit der Verhandlung, 
vom Anwaltszwang, von der Verhandlungsmaxime. Die Ausnahmen hinsichtlich 
der Beschwerde ergeben sich aus §§ 532 Abs. 2; 536. Die Verhandlungsmaxime 
insbesondere bringt es mit sich, daß das Gericht — zzwar nicht an die Begründung 
des R. durch die Parteien, aber — an die von den Parteien gestellten Anträge 
gebunden ist (§8 487, 499, 522). Daraus ergiebt sich von selbst, daß eine re- 
formatio in peius (s. diesen Art.), falls das R. nicht beiderseits ergriffen war, 
nicht stattfinden kann, es sei denn, daß der Implorat dem R. des Imploranten 
sich angeschlossen hat, was ihm im Hinblick auf das Novenrecht des Imploranten 
und auf die Befugniß desselben, seine Anträge während der mündlichen Verhandlung 
jederzeit zu ändern, durch §§ 482, 518 im weitesten Umfang, insbesondere ohne 
Rücksicht auf die Konnexität der gegenseitigen Beschwerden (Mot. zu §§ 461, 462 E., 
S. 516), gestattet ist. Anders war es im Gemeinen Recht, welches eine reformatio 
in peius nicht nur im Fall der appellatio reciproca oder der unserer Anschließung 
entsprechenden „accessorischen Adhäsion“ des Appellaten, sondern auch bei einseitiger 
Appellation von Amtswegen zuließ, weil vom Moment der Introduktion an der 
Appellat das Recht habe, vom Richter die Berücksichtigung des Interesses, welches 
er an der Abänderung des angefochtenen Urtheils habe, ex oftücio zu verlangen: sog. 
Gemeinschaftlichkeit der Appellation (Wetzell, § 56 zu N. 51 ff., zu N. 68 ff.; 
s. jedoch dagegen Renaud, Lehrb., § 180 zu N. 31 ff.). Ueber Verzicht auf R 
und Zurücknahme derselben vgl. §§ (311), 475, 476, 529, (548) und die Spezial- 
artikel über die einzelnen R. 
Lit.: Für das Gemeine Recht: Wezell, Syltem, §* 52 und dort die ältere Lit. über die 
R. insgesammt. — Renaud, Lehrbuch, § 172. — Für den Teutschen RCiv. Lr# Wach, 
Vorträge, S. 178 ff. — Bolgiano, Archiv n die civ. Prax. Bd. LIX. S. 420 ff.; Der- 
elbe, Zeitschr. für Deutfsch. S . II. S. 110 ff.; III. S. 199 r — Hinschins,' Zischr. 
für Deussch. Civ. Prz. 1. 1 ff. — Für die fremden'“ Rechte: v. Harrasowski, Die R. im 
Civ. Prz., 1879. 15. die bei den einzelnen R. cit. Lit. Birkmey er. 
Rechtsmittel (im Strafprozeß). Ebenso wie im Civilprozeß eine end- 
gültige Entscheidung nothwendig ist, die jeden weiteren Streit ausschließt, erfordert 
auch der Strafprozeß ein definitives Urtheil über die Schuld oder Unschuld eines 
Angeklagten. Hier wie dort muß zunächst angenommen werden, daß der ergangene 
Richterspruch ein gerechter sei. Jedoch darf die Möglichkeit eines Irrthums in that- 
sächlicher oder rechtlicher Beziehung nicht in Abrede gestellt werden. Zur Verbesserung 
eines solchen dienen die R., d. h. diejenigen prozessualen Maßnahmen, welche die 
Parteien ergreifen können, um die Abänderung einer richterlichen Entscheidung durch 
eine andere, sowol während des Laufes als nach Beendigung eines Prozesses herbei- 
zuführen. In diesem weitesten Sinne ist aber der Ausdruck R. nicht immer zu ver- 
stehen, vielmehr ist in den verschiedenen Gesetzgebungen verschieden bestimmt, welche 
von diesen Rechtsbehelfen technisch als R. bezeichnet werden sollen. Abgesehen von 
diesen Verschiedenheiten unterscheidet man: 1) R. gegen Endurtheile von solchen gegen 
richterliche Verfügungen und Beschlüsse, die dem Urtheile vorausgehen; 2) suspensive 
von nichtsuspensiven, je nachdem die Wirkung der angegriffenen Entscheidung durch 
das R. aufgehalten wird oder nicht; 3) devolutive von nichtdevolutiven, je nachdem 
über das ergriffene R. in einer höheren Instanz verhandelt wird oder nicht; 
4) ordentliche von außerordentlichen, welche letzteren sich gegen ein formell rechts- 
kräftiges Urtheil richten. Bei den R. gegen ein Endurtheil kommt es ferner darauf 
an, ob das letztere a) wegen eines faktischen oder rechtlichen Irrthums abgeändert 
oder b) aufgehoben werden soll, weil Verstöße gegen formellrechtliche Vorschriften 
das Urtheil nichtig erscheinen lassen. 
Im Germanischen Prozeß gab es eigentliche R. nicht, nur ein Ansatz dazu. 
war in dem sogen. „Urtheilschelten“ gegeben. Dasselbe (vgl. Grimm, Deutsche 
Rechtsalterthümer, S. 865 ff.; Planck, Das Deutsche Gerichtsverfahren im Mittel-
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.